Der überraschende Ausrüster-Wechsel des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) von den drei Streifen hin zum US-Konzern Nike hat für Entsetzen bei vielen Fans und Politikern gesorgt.
Die Reaktionen auf das verkündete Ende der Zusammenarbeit zwischen dem DFB und Adidas im Dezember 2026 reichen von Enttäuschung bis Entrüstung. Die Deutsche Presse-Agentur beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Deal.
Warum trennt sich der DFB Ende 2026 nach dann mehr als 70 Jahren von Adidas?
Das hat vor allem finanzielle Gründe. Nach Informationen des «Handelsblatts» unter Berufung auf Branchenkreise streicht der Verband von Nike pro Jahr mehr als 100 Millionen Euro ein. Das bedeutet eine Verdoppelung der Einnahmen aus dem laufenden Ausrüstervertrag mit Adidas. Das deutsche Unternehmen soll jährlich rund 50 Millionen Euro an den DFB überweisen. Der DFB bestätigte die Zahlen zwar nicht, teilte aber mit: «Nike hat das mit Abstand beste wirtschaftliche Angebot abgegeben.»
Hätte der DFB das bessere Angebot von Nike nicht ausschlagen können, wie er es nach der Heim-WM 2006 schon einmal getan hat?
Generell schon, aber anders als damals ist der Verband momentan finanziell angeschlagen und damit auf deutliche Mehreinnahmen angewiesen. Vor allem die Baukosten für den Campus in Frankfurt am Main in Höhe von etwa 180 Millionen Euro – rund 30 Millionen Euro mehr als geplant – und die ausgebliebenen sportlichen Erfolge der A-Nationalmannschaft der Männer bei den zurückliegenden drei Turnieren haben zu einem strukturellen Defizit geführt. In den Jahren 2021 und 2022 verzeichnete der DFB zuletzt ein Minus von insgesamt fast 38 Millionen Euro.
Das lag auch daran, dass der Verband wegen der Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die Jahre 2006, 2014 und 2015 gut 51 Millionen Euro an Steuern nachzahlen musste. Zwar hat der Verband dagegen Einspruch erhoben. Ob er die Millionen zurückerhält, ist jedoch offen. Eine Ablehnung des Top-Angebots des US-Unternehmens wäre daher fast schon fahrlässig gewesen. «Wir sind dankbar, aufgrund des von Nike zugesagten Engagements als Verband wieder in eine wirtschaftlich stabile Zukunft blicken zu können», sagte DFB-Schatzmeister Stephan Grunwald.
Wie reagiert die Öffentlichkeit auf den Deal?
Überwiegend ablehnend. Von den Fans gab es in den sozialen Medien einen Shitstorm, von den Politikern zum Teil heftige Kritik. Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) hätte sich vom DFB «ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht», Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einer «Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet». Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz erklärte: «Das ist eine für mich völlig unverständliche Entscheidung. Und ich muss ehrlich sagen: Sie ist auch unpatriotisch.»
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezeichnete das bevorstehende Ende der Erfolgsgeschichte, die 1954 beim ersten WM-Triumph der DFB-Auswahl begonnen hatte, «als falsch, schade und auch unverständlich». Der deutsche Fußball sei «Heimat pur – und kein Spielball internationaler Konzernkämpfe. Kommerz ist nicht alles», sagte der 57-Jährige.
Entrüstet äußerte sich Hessens Ministerpräsident Boris Rhein. «Die drei Streifen gehören natürlich zu den vier Sternen, die wir auf der Brust tragen. Der Weltmeister trägt Adidas, nicht irgendeine amerikanische Fantasiemarke. Deswegen finde ich das schon ein starkes Stück, was der DFB da macht», schimpfte der CDU-Politiker.
Was sind die wichtigsten Eckpunkte des neuen Ausrüstervertrags zwischen dem DFB und Nike?
Der Kontrakt gilt für sieben Jahre bis 2034. Weitere Details nannte der DFB nicht. Klar ist aber, dass alle Auswahl-Teams ab 2027 in einem neuen Outfit spielen werden. Laut Holger Blask, Vorsitzender der Geschäftsführung der DFB GmbH & Co. KG, beinhalte der Vertrag mit Nike «auch ein klares Bekenntnis für die Förderung des Amateur- und Breitensports sowie die nachhaltige Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland».
Warum wurde der neue Vertrag gerade jetzt abgeschlossen?
Die Verkündung des Ausrüster-Wechsels so kurz vor der Heim-EM mutet unglücklich an – zumal Adidas wenige Tage zuvor unter großer medialer Beachtung die DFB-Trikots für die im Sommer anstehende Endrunde vorgestellt hatte. Nach Angaben von Blask sei der Zeitpunkt der Ausschreibung im Hinblick auf die Planungs- und Vorlaufzeiten jedoch üblich und «im Vorfeld mit allen relevanten Marktteilnehmern besprochen» worden. Adidas ließ wissen, erst am Tag der Verkündung vom DFB informiert worden zu sein.
Wie wirkt sich der Abschluss mit Nike auf die laufenden DFB-Gespräche mit Hauptsponsor Volkswagen über eine Verlängerung des im Sommer auslaufenden Vertrags aus?
Der finanzielle Druck für den DFB, der vom Wolfsburger Auto-Konzern bisher jährlich etwas mehr als 25 Millionen Euro kassiert haben soll, ist etwas geringer geworden. Beide Seiten sind zwar an einer Fortsetzung der Partnerschaft interessiert, sollen aber unterschiedliche finanzielle Vorstellungen über den neuen Vertrag haben. Möglicherweise gibt es nun eine schnelle Annäherung.
Wie geht es mit dem DFB und Adidas bis zum Vertragsende weiter?
Klar ist: Die Heim-EM 2024, die Frauen-EM 2025 in der Schweiz sowie die Männer-WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada werden die DFB-Teams noch mit Adidas-Trikots absolvieren. Bei der Europameisterschaft vom 14. Juni bis 14. Juli bezieht das DFB-Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann sein Quartier sogar im Adidas-Homeground in Herzogenaurach. Man werde sich bis zum Vertragsende «mit aller Kraft für den gemeinsamen Erfolg mit unserem langjährigen und aktuellen Partner engagieren», sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf.
Was waren die Sternstunden des DFB mit den drei Streifen?
Bei allen vier WM-Titeln und bei allen drei EM-Titeln der Männer sowie bei den beiden WM-Titeln und den acht EM-Trophäen der Frauen war Adidas als Ausrüster vertreten. Kein Wunder, dass Habeck klagte: «Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen. Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität.»
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