Von «beschämend» bis «peinlich»: Nach dem Verbot für eine Münchner EM-Arena in Regenbogenfarben wird die UEFA von einer Welle der Empörung überrollt.
Aus Politik und Zivilgesellschaft kam teils scharfe Kritik an der Entscheidung. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fand deutliche Worte und will nun auf anderen Wegen eine Botschaft senden.
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Bayern kündigte Protestaktionen an der Arena vor dem Gruppenfinale der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Ungarn am Mittwoch (21.00 Uhr) in der bayerischen Landeshauptstadt an. An anderen Bundesliga-Stadien sollen während des Spiels Zeichen gesetzt werden.
Regenbogenfahne als Symbol für Gleichberechtigung
Die Europäische Fußball-Union bestätigte am Dienstag, was schon zuvor spekuliert wurde: Das EM-Stadion in München darf nicht in den Farben als Zeichen für Toleranz und Gleichstellung erstrahlen. Die UEFA lehnte einen entsprechenden Antrag von Reiter ab. Sie sei «aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieser speziellen Anfrage – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt – muss die UEFA diese Anfrage ablehnen», teilte der Dachverband mit. Zuerst hatte die «Bild»-Zeitung darüber berichtet.
Die Regenbogenfahne steht als Symbol für die Akzeptanz und Gleichberechtigung von Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.
«Grundsätzlich hätte ich mich persönlich sehr gefreut, wenn man das Stadion in diesen Farben beleuchtet hätte, wenn die Lichter angegangen wären», sagte Joachim Löw am Dienstagabend. Der Bundestrainer machte aber auch klar, dass es für ihn «bei aller Wichtigkeit von Symbolen» noch wichtiger sei, dass die durch die Regenbogenflagge dargestellten Werte für Vielfalt, freie sexuelle Orientierung und Menschenwürde «auch gelebt werden». Dies sei in der Nationalmannschaft der Fall, betonte Löw.
Verband macht anderen Vorschlag
Die Arena in München wird am Mittwoch wie vorgesehen in den Farben der UEFA und der teilnehmenden Nationen leuchten. Der Dachverband habe der Stadt aber vorgeschlagen, das Stadion entweder am 28. Juni – dem Christopher Street Liberation Day – oder zwischen dem 3. und 9. Juli, der Christopher Street Day Woche in München, mit den Regenbogenfarben zu beleuchten. Das letzte EM-Spiel in München findet allerdings am 2. Juli statt, auch am 28. Juni wird in der Arena nicht gespielt.
In der bayerischen Landeshauptstadt reagierte man mit deutlicher Kritik. «Ich finde es beschämend, dass die UEFA es uns verbietet, hier in München ein Zeichen für Weltoffenheit, Toleranz, Respekt und Solidarität mit der LGBTQI+-Community zu setzen», sagte Oberbürgermeister Reiter. Die Abkürzung LGBTQI+ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, queere, Trans- und andere nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.
Die Stadt will andere Wege finden: Man werde nicht nur das Münchner Rathaus mit Regenbogenfahnen beflaggen, sondern auch das Windrad an der Arena bunt leuchten lassen und den Olympiaturm, so Reiter.
Kritik vom LSVD und aus der Politik
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Bayern kündigte Protestaktionen vor der Arena an. Zudem forderte der Verband die Betreiber der Münchner Fußball-Arena und den Besitzer FC Bayern auf, das Stadion der Ablehnung der UEFA in den Regenbogenfarben zu beleuchten. «Hier muss ein Zeichen gesetzt werden», sagte Markus Apel, der Vorstand des LSVD Bayern, der Deutschen Presse-Agentur. «Die UEFA zeigt sehr klar, auf welcher Seite sie steht», meinte Apel – nicht auf der Seite jener, die sich für eine vielfältige und faire Gesellschaft einsetzen, sagte er.
Zahlreiche deutsche Politiker und Politikerinnen äußerten ebenfalls Ärger über die Entscheidung des Fußball-Dachverbandes. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) drückte sein Bedauern aus. «Das wäre ein sehr gutes Zeichen für Toleranz und Freiheit gewesen», schrieb er bei Twitter. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte dort: «Liebe UEFA, es ist nicht so, dass ich von euch viel erwartet habe. Aber ihr seid noch peinlicher als ich dachte. Schämt euch!» Auch von Linke und FDP gab es kritische Stimmen.
Die Grünen riefen dazu auf, Regenbogenflagge zu zeigen. «Lasst uns ein starkes Zeichen der Vielfalt setzen und den Regenbogen durchs Land tragen», schrieb Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in dem Kurznachrichtendienst. Die EU-Kommission hätte die Regenbogenfarben auf der Allianz Arena als klares Zeichen gegen Diskriminierung begrüßt. Es sei wichtig, dass Europäerinnen und Europäer Solidarität mit der LGBTQ-Community zeigten, dies sollte die ganze Welt machen, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde.
Der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Volker Jung, hofft trotz des Verbots auf ein Regenbogen-Zeichen an der Münchner EM-Arena beim Gruppenfinale der DFB-Auswahl gegen Ungarn. «Vielleicht ist das Stadion ja morgen doch bunt. Das kostet dann wohl eine Strafe. Aber die wäre es in diesem Fall wert», sagte Jung.
Protest gegen neues Gesetz in Ungarn
In Ungarn wurde die Entscheidung der UEFA dagegen begrüßt. Die Europäische Fußball-Union habe «die richtige Entscheidung getroffen», sagte Außenminister Peter Szijjarto am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg vor ungarischen Journalisten. «Man hat entschieden, sich nicht für eine politischen Provokation gegenüber Ungarn einspannen zu lassen», fügte er hinzu.
Hintergrund des geplanten Protestes ist ein Gesetz, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität in Ungarn einschränkt und in der vergangenen Woche vom ungarischen Parlament gebilligt wurde. Das Gesetz gilt als besonderes Anliegen von Ministerpräsident Viktor Orban.
DFB-Interimspräsident Rainer Koch verteidigte das Verbot. «Da die Beleuchtung vom Münchner Stadtrat als eine gezielte Aktion gegen die Entscheidung des ungarischen Parlaments begründet worden ist, handelt es sich nicht mehr um ein bloßes Statement im gemeinsamen Kampf gegen jede Form von Diskriminierung, sondern um eine politische Aktion», schrieb das deutsche Mitglied der Exekutive der Europäischen Fußball-Union am Dienstag bei Facebook.
Zeichen in anderen Stadien
Sollte das Verbot in Bezug auf das Stadion umgangen werden, würde die Disziplinarkommission der UEFA ermitteln. Deutschland als EM-Ausrichter 2024 müsste wahrscheinlich mit einer Verwarnung oder einer saftigen Geldstrafe rechnen. Der DFB dürfte kein Interesse daran haben, die UEFA vor den Kopf zu stoßen.
Andere deutsche Stadionbetreiber wollen am Mittwoch dafür ein Zeichen setzen. So sollen die Fußball-Arenen in Frankfurt am Main, Augsburg, Köln, Wolfsburg und Düsseldorf sowie das Berliner Olympiastadion und das Stadion An der Alten Försterei in Berlin während der EM-Partie der deutschen Mannschaft gegen Ungarn bunt erstrahlen.
Türkei untersagt Picknick mit Regenbogenfarben
Die türkischen Behörden haben laut Medienberichten ein Picknick anlässlich der sogenannten Pride-Week in einem zentralen Park in Istanbul untersagt. Die Polizei habe Menschen, die Utensilien in den Regenbogenfarben mit sich trugen, am Dienstag zudem den Zutritt zum Park verwehrt, berichtete das Online-Medium bianet. Der Anwalt Levent Piskin schrieb etwa auf Twitter, er habe das Gelände nicht mit einer Maske in Regenbogenfarben betreten dürfen. «Nimm die Maske ab und geh so rein, sagt mir die Polizei, die mir eigentlich eine Strafe aufbrummen müsste, wenn ich keine Maske trage.»
Der LGBTI+-Verband Kaos GL teilte Bilder von Menschen im Park und schrieb dazu: «Wir sind hier, wir sind im Macka-Park, wir gehen nicht!» In der sogenannten Pride-Week organisieren LGBTI+-Verbände zahlreiche Veranstaltungen. Das Picknick sollte in dem Rahmen stattfinden.
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