José Mourinho hat im Fußball schon fast alles gesehen und erlebt. Er war auf dem Gipfel nach den Triumphen in der Champions League mit Porto und Inter, wurde aber auch schon wegen Erfolglosigkeit aus Clubs geworfen: in Manchester und Tottenham.
Der Trainer liebte und lebte die Extreme, nicht umsonst gab er sich selbst den Spitznamen «Special One», der Außergewöhnliche. Ein Finale der – drittklassigen – Conference League sollte den inzwischen 59-Jährigen daher nicht sonderlich berühren, könnte man meinen.
Und doch tut es das! Als sein AS Rom im Halbfinale gegen Leicester City den Einzug in das Endspiel feierte (1:0), brachen alle Gefühle aus dem Routinier heraus. Mourinho heulte hemmungslos unter dem ekstatischen Jubel von knapp 64.000 Zuschauern. Am Mittwoch (21.00 Uhr/Nitro) geht es in Albaniens Hauptstadt Tirana gegen Feyenoord Rotterdam um den Titel in der Premierensaison dieses Wettbewerbs.
Rom verändert Mourinho
Rom hat etwas gemacht mit dem oft so arroganten Mourinho, sowohl der Verein als auch die Stadt. «Die Leute hier haben schon seit Ewigkeiten keinen solchen Moment mehr erlebt», erklärte der Coach seinen Gefühlsausbruch im heimischen Olympiastadion. «Ich habe an die Fans hier gedacht, an meine Spieler, weniger an mich selbst.»
Der Hauptstadtverein mit der Wölfin im Wappen hat keinen prall gefüllten Trophäenschrank wie die meisten von Mourinhos Ex-Vereinen: Ein Sieg im Messepokal 1961 ist der bislang einzige internationale Erfolg. Danach stand die Roma noch in den Endspielen 1983 im Landesmeister- und 1991 im UEFA-Cup, verlor aber beide Duelle. Dreimal wurde die Roma nationaler Meister. Zum Vergleich: Mourinho holte vier internationale Vereinstitel und acht Liga-Erfolge.
Entsprechend war er im Sommer 2021 als Heilsbringer in der Ewigen Stadt empfangen worden, fast wie ein Imperator stellte er sich vor. Doch die Saison verlief nicht wie gewünscht, das Fachblatt «Gazzetta dello Sport» beobachtete sogar, dass der Feldherr «wie ein müder Gladiator wirkt, ein Veteran, der viel gewonnen hat», dies nun aber nicht mehr schaffe. Die Roma war in der Serie A von den Spitzenteams abgehängt, Mourinhos Team zeigte keinen schönen Fußball.
Klares Bekenntnis zum Verein
Den Sprung in die europäische Königsklasse verpasste der Club als Tabellensechster noch hinter dem verhassten Stadtrivalen Lazio. Ist das Projekt Mourinho also in Rom gescheitert, lange vor dem Ende des Vertrages 2024? Mitnichten. «Ich denke gar nicht daran, vor diesen drei Jahren wieder zu gehen», stellte der Coach jüngst klar.
Er genießt die Leidenschaft in der Stadt und speziell beim AS Rom, einem Verein, der seine Fußballhelden wie Francesco Totti oder Daniele De Rossi noch richtig verehren kann. Bis zum Status dieser Vereinsikonen hat es Mourinho freilich noch sehr weit, zumal die Erwartungen der Fans und der Clubbesitzer aus den USA riesig waren.
Vorige Woche ließ Mourinho sichtlich genervt den eigens für das Finale anberaumten UEFA-Pressetag über sich ergehen. Das Feuer, das die internationalen Abende in ihm geweckt haben, war dennoch zu erkennen – der Portugiese hat noch lange nicht genug. «Die Conference League ist unsere Champions League», stellte der Coach klar.
Ein Journalist fragte ihn nach der Genugtuung, die er selbst und auch Carlo Ancelotti von Champions-League-Finalist Real Madrid empfänden, die von vielen Experten schon als Frührentner abgestempelt worden waren im Vergleich zu aufstrebenden Jungtrainern wie Julian Nagelsmann. «Bei Trainern zählt das Alter nicht», sagte Mourinho. «Da zählen nur Qualität, Motivation, Leidenschaft.» Ihm habe keiner zu sagen, wann er aufhören solle, unterstrich Mourinho. «Wenn jemand darauf wartet, dass ich basta sage, dann kann er noch lange warten.»
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