28. November 2024

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Mihambo: «Kann mich nicht mit großen Gesten anfreunden»

Deutschlands Sportlerin des Jahres gehört zu den wenigen großen Olympia-Hoffnungen der Leichtathleten. Weitspringerin Malaika Mihambo ist dieses Mal aber keine Topfavoritin wie vor ihrem WM-Triumph 2019 in Doha.

Malaika Mihambo reist mit einigen Selbstzweifeln zu den Olympischen Spielen. Die Weitsprung-Weltmeisterin hat Probleme mit dem Anlauf und harte Konkurrenz in Tokio zu erwarten.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht die 27-Jährige von der LG Kurpfalz auch über ihre neue Haarfarbe, Protestaktionen von Sportlern gegen Rassismus und den speziellen Wert der Spiele.

Sie geben kurz vor Ihrem Abflug nach Japan an einem Tag über ein Dutzend Interviews. Machen Sie das eigentlich gern – oder sagen Sie: Das gehört halt dazu!

Malaika Mihambo: Klar ist es anstrengend, aber es macht auch Spaß. Ich versuche jedes Mal aufs Neue, mich auf so ein Gespräch einzulassen – als ob ich vorher kein anderes geführt hätte und so manche Frage noch nicht gestellt worden wäre.

Sie haben sich vor einiger Zeit die Haare gefärbt. Ist das nun ein Blond – oder Gold?

Mihambo: Eigentlich waren sie mal roséfarben, aber der Ton hat sich rausgewaschen. Jetzt sind sie blond – ob goldblond, das wird sich dann in Tokio zeigen. Für mich ging’s darum, mal etwas Neues auszuprobieren und meine Selbstwahrnehmung ein bisschen zu erweitern, indem ich Raum für neue Facetten gebe. Die Haare sind nur stellvertretend dafür.

Was machen Sie mit Ihren langen Beinen beim Langstreckenflug – oder fliegen Sie Business?

Mihambo: Die langen Beine verpacke ich erstmal in Kompressionsstrümpfe. Ansonsten weiß ich gar nicht, ob für Spitzenathleten auch Business gebucht ist. Notfalls würde ich mich selbst upgraden. Es macht einfach einen Unterschied, ob einem so ein langer Flug in den Beinen steckt. Das möchte man vor den Olympischen Spielen natürlich nicht.

Mit welchen Gefühlen fahren Sie zu diesen Spielen im Ausnahmezustand?

Mihambo: Diese Olympischen Spiele werden nicht zu vergleichen sein mit anderen. Es gibt sehr viele Widrigkeiten. Schade ist natürlich, dass sie ohne Publikum stattfinden werden, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung vor Ort nicht so hoch ist. Für mich selbst war dieses Jahr nicht so einfach, von daher bin ich nicht in einer so komfortablen Lage wie 2019. Ich fahre nicht nach Tokio und weiß, ich habe jeden Wettkampf mit sieben Metern abgeschlossen.

Ist der Wert der Tokio-Spiele und einer Olympia-Medaille gemindert durch die Ausgangslage – oder sogar erhöht?

Mihambo: Ich glaube, letztendlich ist er eher erhöht, weil die Bedingungen viel schwieriger sind als in einem normalen Jahr. Das letzte Jahr war sicher für alle sehr anstrengend, auch für mich persönlich haben sich viele Dinge verändert. Es wäre einfach toll, diese harte Zeit mit etwas Schönem beenden zu können.

Haben Sie schon mal überlegt, ob Sie – wie zum Beispiel die Fußballer bei der EM – vor ihrem Wettkampf niederknien, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen?

Mihambo: Ich finde es sehr schön, wenn Sportler das tun, wenn sie für größere Werte einstehen, die stellenweise einfach vergessen werden. Es ist wichtig, dass wir uns immer wieder gegenseitig ins Bewusstsein rufen, worauf es ankommt. Letztendlich sind wir alle Menschen – egal, wo wir geboren wurden, welche Hautfarbe wir haben. Mein Weg ist eher, in Interviews anzuregen, über so etwas nachzudenken. Ich selbst kann mich nicht mit diesen großen Gesten anfreunden. Das fühlt sich gerade nicht nach mir an. Von daher würde ich das Stand heute nicht tun. Das kann sich natürlich ändern.

Als Weltmeisterin sind Sie eine der Topfavoritinnen. Wie gehen Sie damit um und was ist Ihr persönliches Ziel?

Mihambo: Mein persönliches Ziel ist es, mein Bestes zu geben, das zu zeigen, was in mir steckt. Dieses Jahr ist mir das leider noch nicht gelungen. Was gut ist: Ich weiß, dass ich es kann, dass ich gut drauf bin, dass ich es jetzt auch zeigen kann und will und werde. Es stehen viele gute Springerinnen vor mir in der Weltbestenliste, gleichzeitig schreibe ich mich selbst nicht ab.

Sie hatten 2020 ihren Anlauf verkürzt, auch um das Verletzungsrisiko zu minimieren, zuletzt aber große Probleme, wieder in den alten zurückzufinden. Würden Sie es noch einmal so machen?

Mihambo: Ich hätte mir nicht vorgestellt, dass es so hart ist. Da kommen viele Selbstzweifel hoch: Kann ich das überhaupt noch? Bin ich gut genug? Kann ich mithalten? Dann kommt man in so eine Position, wo man sich als Gejagte fühlt anstatt als Jägerin, die angreift und ihr Ding macht. Gleichzeitig bin ich froh, dass ich gelernt habe, damit umzugehen, dass ich an mich glaube, auch wenn ich offiziell noch keine sieben Meter gesprungen bin. Ich zweifle nicht daran, dass ich das erreichen kann.

ZUR PERSON: Malaika Mihambo wurde 2018 in Berlin Europameisterin im Weitsprung und gewann 2019 bei der WM in Doha Gold mit 7,30 Metern. 2020 war sie ebenfalls die herausragende Springerin auf der Welt und wurde wie schon im Jahr zuvor zu Deutschlands Sportlerin des Jahres gewählt. Die gebürtige Heidelbergerin ist 27 Jahre alt, startet für die LG Kurpfalz und studiert Umweltwissenschaften. Ihr Vater stammt aus Sansibar, ihre Mutter ist Deutsche. Die Bestweite von Mihambo in diesem Jahr liegt bei 6,92 Metern.

Interview: Ulrike John, dpa