Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und der DFB sprechen «derzeit in erster Linie» über Anwälte miteinander. Der Deutsche Fußball-Bund reagierte kühl auf eine lange Stellungnahme der 55-Jährigen bei Instagram. Diese werde der Verband «persönlich mit Martina Voss-Tecklenburg besprechen», teilte der DFB mit.
Die Frage bleibt: Wann genau will in der zerfahrenen Lage wer mit wem reden? Nach dpa-Informationen laufen im großen DFB-Campus schwierige Beratungen. Dass Voss-Tecklenburg nochmal an die Seitenlinie zurückkehrt, gilt nahezu als ausgeschlossen.
«Wir möchten klarstellen, dass uns Martina Voss-Tecklenburg übermittelt hat, erst nach einer Bedenkzeit für ein persönliches Gespräch nach ihrem Erholungsurlaub zur Verfügung zu stehen», schrieb der DFB. «Dies haben wir natürlich respektiert und so eingeplant.» Bei der Bundestrainerin selbst klang das am Vorabend etwas anders.
«Wir haben dem DFB signalisiert, dass wir zu einer weiteren Analyse und Aufarbeitung der WM und vertrauensvollen Gesprächen über die weitere Art und Weise der Zusammenarbeit im Team bereit sind», schrieb Voss-Tecklenburg – passenderweise kurz nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz öffentlichkeitswirksam beim Team zu Besuch war. Dieses hat übergangsweise Horst Hrubesch übernommen – womöglich für länger im Falle eines olympischen Sommermärchens in Paris, wie der 72-Jährige sagte.
DFB strebt Gespräch mit Martina Voss-Tecklenburg an
Es solle gemeinschaftlich ein Weg gefunden werden, «wieder erfolgreich zusammenzuarbeiten» und wieder «an die Erfolge wie bei der UEFA-Frauen-EM in England anknüpfen» zu können, teilte derweil Voss-Tecklenburg mit. Der Verband schrieb: «Der DFB strebt deshalb zeitnah nach Urlaubsende von Martina Voss-Tecklenburg ein gemeinsames Gespräch an. Diesem wollen und werden wir nicht vorgreifen.»
Voss-Tecklenburg hatte zuletzt während ihres genehmigten Erholungsurlaubs öffentlich Vorträge gehalten, was bei Spielerinnen und im Verband dem Vernehmen nach nur bedingt gut ankam. DFB-Präsident Bernd Neuendorf äußerte sich nicht, auch beim Scholz-Termin waren keine Fragen zugelassen.
Aussagen von Mittelfeld-Ass Lena Oberdorf lassen Risse zwischen der Bundestrainerin a.D. und ihrem Team erahnen. Konkret darauf angesprochen, ob sie sich eine Rückkehr von Voss-Tecklenburg wünsche, sagte die 21-Jährige: «Dadurch, dass man da eh keine Macht drüber hat, bin ich einfach nur hier, um meinen Job zu machen. Das ist, zwei Spiele zu gewinnen. Alles Weitere wird der DFB dann regeln.» Schon vor dem blamablen Aus bei der WM soll es Spannungen gegeben haben.
Lob für Hrubesch
Die Spielerinnen scheinen Voss-Tecklenburg beinahe demonstrativ nicht mehr zu stärken. «Ich persönlich kann sagen, dass es für uns gerade echt nicht das relevanteste ist. Wir sind in einer fußballerisch sehr ernsten Situation», sagte Linda Dallmann. Die 29-Jährige lobte dafür demonstrativ Interimscoach Hrubesch und sagte mit Blick auf Olympia: «Wir haben da mit Horst den besten Trainer, uns da einzuheizen. Er hat gesagt, er läuft nach Frankreich, um uns dort spielen zu sehen – wenn wir ihn nicht mitnehmen.»
Torhüterin Ann-Katrin Berger sagte, man sei «in einer schwierigen Situation». Wer das Team künftig anleitet, liege nicht in der Hand der Spielerinnen. «Wir haben da leider nicht viel zu sagen. Das geht ganz oben an die Spitze, die entscheiden», fügte Berger an. In möglichen Verhandlungen über eine Vertragsauflösung wird es auch ums Geld gehen. Erst im April hatte der Verband Voss-Tecklenburgs Vertrag bis zur EM 2025 in der Schweiz verlängert. Der Vertrauensvorschuss holt den Verband nun ein.
MVT-Auftritt sorgt für Verwunderung
Der Fall sorgte ob Voss-Tecklenburgs öffentlicher Auftritte während ihres Erholungsurlaubs insgesamt für Verwunderung, wie Oberdorf zugab. «Es gibt mir ein paar Fragezeichen natürlich. Ich hätte mir da durchaus etwas anderes gewünscht. Dass man sagt: Ok, wir klären erstmal, was bei der WM passiert ist.» Ein Erholungsurlaub wäre aus ihrer Sicht auch nach der WM-Aufarbeitung möglich gewesen.
Voss-Tecklenburg schrieb, sie erwarte kurzfristig einen Termin, «nachdem auch der Geschäftsführer Andreas Rettig wieder aus den USA zurückgekehrt ist». Rettig war ebenfalls vor Ort, als Scholz am Dienstagnachmittag in die Kameras gelächelt hatte. An diesem Freitag (17.45 Uhr) steht das Spiel gegen Wales auf dem Programm. Es geht um die für den kriselnden Verband bedeutende Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.
«Mir war bei der Verabredung wichtig, dass es Schritt für Schritt entschieden wird. Wenn Paris nicht klappt – was ich nicht glaube –, müsste jemand Neues kommen, der alles neu aufbaut. Das bin nicht ich», sagte Hrubesch der «Sport Bild» (Mittwoch). «Aber wenn wir Olympia erreichen und ich gebraucht werde, können wir uns gern darüber unterhalten, ob ich das noch mache.»
Voss-Tecklenburg wünschte dem Team ihn ihrem längeren Social-Media-Beitrag «für die kommenden Spiele den maximalen Erfolg, Positivität und selbstbewusstes Auftreten». Zum Abschluss der Länderspielphase folgt am 31. Oktober die Partie auf Island.
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