22. November 2024

Sport Express

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Machtlos gegen das Wetter: Wintersport kämpft ums Überleben

Schneemangel bestimmt den Weltcup-Winter. Von den Alpinen bis zu Kombinierern - alle sind betroffen. Veranstalter und Gastronomen stemmen sich gegen ein drohendes wirtschaftliches Desaster.

Hotelzimmer werden storniert, Tickets erstattet, und für abgeschlossene Verträge mit Catering-Firmen muss auch eine Lösung her.

Der Schneemangel und seine Folgen stellen derzeit nicht nur viele Weltcup-Veranstalter, sondern gesamte Wintersport-Orte vor enorme wirtschaftliche Herausforderungen.

Doch was tun, wenn das weiße Gold fehlt?

«Selbst, wenn genügend Geldmittel zur Verfügung stehen würden, kann man das Klima nicht beeinflussen», sagte Anna Kornhaas der Deutschen Presse-Agentur. Sie ist Pressesprecherin des Weltcups der Skispringerinnen in Hinterzarten. Die Durchführung des Ende Januar geplanten Springens ist – na klar – fraglich.  

Der wirtschaftliche Schaden ist unklar

An anderen Orten ist der Kampf gegen den Klimawandel längst verloren. Die alpinen Skirennen in Garmisch-Partenkirchen sind abgesagt. Statt eines Winter-Wunderlandes prägen grün-graue Berglandschaften das Bild an der Kandahar. Die Absage sei wirtschaftlich ein Desaster, räumte die Chefin des Organisationsteams, Martina Betz, ein. «Wir haben einen hohen Verlust. Die Höhe ist allerdings noch nicht zu beziffern.»

So ein Weltcup-Wochenende spült Geld in verschiedenste Kassen. Gastronomen, Beherbergungsbetriebe und Einzelhändler profitieren von den Tausenden Ski-Fans, die in kleine Wintersport-Orte wie Garmisch, Hinterzarten oder Klingenthal pilgern. Die Verbände kassieren bei den TV-Einnahmen ab. Normalerweise. 

Die wirtschaftlichen Schäden, die im Falle einer Absage drohen, sind kaum zu beziffern. Das System ist zu verzweigt, zu viele Parteien sind in einen Weltcup involviert. Aber klar ist: Der Schaden wäre massiv. 

Kaum noch schneesichere Gebiete – viele Absagen

Der milde Winter trifft vor allem die Alpinen hart. Für die oftmals Kilometer langen Pisten wird enorm viel Schnee benötigt. Rennen in Sölden, Zermatt, Lech, Beaver Creek, Gröden, Zagreb und eben Garmisch wurden abgesagt. Bei den Nordischen Kombinierern traf es mit Klingenthal und Chaux-Neuve bislang zwei von sechs Austragungsorten. Die Biathleten in Ruhpolding mussten vergangene Woche lange zittern. 

Wintersportparadiese schwinden, wie ein internationales Forschungsteam in einer 2022 veröffentlichten Studie zeigte. Ohne eine massive Verringerung der Treibhausgasemissionen wären die meisten der bisherigen Gastgeber von Olympischen Spielen nicht in der Lage, die Spiele 2050 erneut auszurichten.

Die Straßburger Geografieprofessorin Carmen de Jong ergänzte: «Es gibt in Europa keine Skigebiete mehr, die schneesicher sind.» Schneesicher bedeute für sie, zwischen dem 1. Dezember und Ende März jederzeit skifahren zu können. Die Gegend dürfe dabei weder von Kunstschnee noch von Schnee abhängig sein, der zum Wettkampfort transportiert werde.

Skisport schadet der Umwelt

Teil der Wahrheit ist auch, dass der Wintersport selbst seinen negativen Beitrag zu den Treibhausgasemissionen leistet. Vor allem bei den Alpinen steht der reiseintensive Kalender stark in der Kritik. So startete der Ski-Tross im Herbst in Europa, anschließend ging es nach Nordamerika. Momentan fahren Mikaela Shiffrin und Co. wieder Rennen in Österreich und Italien, bevor es im Februar erneut in die USA geht. 

De Jong macht zudem auf die Umweltauswirkungen von Speicherbecken aufmerksam, die für eine großflächige künstliche Beschneiung nötig seien. Das Wasser dafür komme häufig aus weiten Entfernungen, das Hochpumpen verursache hohe Energiekosten. Eine Gratwanderung, denn kein (Kunst-) Schnee bedeutet meist kein Wintersport. 

Umdenken ist notwendig

Am besten kommen wohl die Skispringer ohne Schnee klar. Landen auf Matten heißt ein bereits bewährtes Konzept. «Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir versuchen, ein Ganzjahresdenken reinzubringen», befand Norwegens langjähriger Nationaltrainer Alexander Stöckl mit Blick auf den Klimawandel. 

Matten gibt es beim Skisprung-Weltcup in Hinterzarten nicht. «Um die Anlage beschneien zu können, werden mindestens minus fünf Grad Celsius benötigt und dies an mindestens drei Tagen, um genügend Schnee produzieren zu können», sagte Sprecherin Kornhaas. Die wirtschaftlichen Folgen im Falle einer Absage wären für den Kurort groß. «Es wurden 32 Container für den Teambereich der 16 Nationen bestellt, Zimmer wurden gebucht, die storniert werden müssten und weitere Ausgaben, die in die Vorplanung gesteckt wurden.»

Optimistischer sind die Verantwortlichen bei den Biathleten in Oberhof. Im Februar findet dort die WM statt. In den kommenden Tagen sind durchgängig Temperaturen unter dem Gefrierpunkt vorhergesagt. Zudem lagern etwa 35 000 Kubikmeter Schnee in den Depots. Das ist fast viermal so viel, wie die Organisatoren in Ruhpolding hatten.

«Das ist eine Schneemenge, die wir in den letzten Jahren in der Form nicht hatten, und da hat es auch immer gereicht», sagte Hartmut Schubert, WM- und Oberhof-Beauftragter der Thüringer Landesregierung.

Die Zukunft des Wintersports steht auf dem Spiel

Letztendlich wissen alle: Die Natur bestimmt die Regeln. Kein Geld der Welt kann Schnee ersetzen. Vielmehr müssen Wintersportevents umgedacht werden, im Einklang mit der Natur.

Die Skispringer haben gezeigt, wie es gehen könnte. Biathleten könnten wie schon im Sommer auf Skiroller umsteigen, bei den Alpinen müsste sich der ganze Kalender nach hinten verschieben. Nur wenn sich der Wintersport neu erfindet, ist seine Zukunft gesichert.

Jordan Raza, Sandra Degenhardt, Maximilian Wendl und Martin Moravec, dpa