Auf seine letzte Aufgabe ist Joachim Löw nochmals «voll fokussiert». Nach einem Essen mit der ebenfalls aus dem Amt scheidenden Kanzlerin Angela Merkel gestattete der Bundestrainer einen der seltenen Einblicke in seine ganz persönliche Gefühlswelt.
Seine besondere Rolle in der Öffentlichkeit und das «Wellenbad der Gefühle» als oberster deutscher Fußballlehrer hätten ihn verschlossener gemacht. «Das ist der Preis dieses Lebens als Bundestrainer. Ich habe mir natürlich so etwas wie einen Panzer zugelegt», sagte Löw im Interview der Wochenzeitung «Die Zeit».
Gemeinsames Essen im Kanzleramt
Löw war vor dem Trainingslager in Seefeld, wo er derzeit die deutsche Nationalmannschaft auf die am 11. Juni beginnende Fußball-EM vorbereitet, im Kanzleramt zu einem Essen mit Merkel (CDU). «Es gab Bratkartoffeln mit Cordon bleu», berichtete der ewige Jogi und fügte hinzu: «Die Bratkartoffeln im Kanzleramt sind einsame spitze. Der dortige Koch kommt aus Südbaden, glaube ich.» Löw ist im Schwarzwald geboren, lebt in Freiburg, hat aber auch eine Wohnung in Berlin.
Bei dem gemeinsamen Essen hätten die Bundeskanzlerin und er einige Gemeinsamkeiten festgestellt. «Wir finden beide, dass es jetzt ein guter Zeitpunkt ist, Abschied zu nehmen», sagte Löw. Der 61-Jährige gibt nach der EM in diesem Sommer nach 15 Jahren sein Amt ab. Merkel ist seit November 2005 Bundeskanzlerin. Zur nächsten Wahl im September kandidiert die 66-Jährige nicht mehr. «Wir haben auch darüber gesprochen, dass nach einer so intensiven Zeit wahrscheinlich eine gewisse Leere auf uns zukommt», verriet Löw.
Immer im Blickpunkt, immer in der Kritik
Die 17 Jahre beim DFB haben den Ex-Profi geprägt und gewandelt: Immer im Blickpunkt, immer in der Kritik, immer öffentlich. «Sobald ich vor die Tür gehe, bin ich in der Öffentlichkeit. Dann werde ich erkannt und angesprochen. Es ist wunderschön, ich weiß dies zu schätzen.» Aber an manchen Tagen sei das «eine schwere Belastung, da sehne ich mich nach Anonymität. Leider gelingt es mir nicht immer, diesen Panzer im privaten Leben einfach abzulegen», sagte Löw.
So sei das 7:1 bei der WM 2014 gegen Gastgeber Brasilien «vielleicht das schönste Spiel» seiner Karriere gewesen: «Aber es war für mich als Trainer zu viel. Ich habe es nicht nur positiv gesehen. Mein erster Gedanke war, wie halte ich die Mannschaft bloß auf dem Boden, wie bremse ich die Euphorie.» Manchmal sei er mit seinen Gedanken gar nicht da, lasse nicht mehr ständig Emotionen zu, «weil es als Trainer so viele sind, die man gar nicht alle an sich ranlassen darf».
Vorfreude «auf eine gewisse Freiheit»
Er selbst stellt es sich «erleichternd vor», wenn er nach seinem achten Turnier die Verantwortung für das DFB-Team an seinen Nachfolger Hansi Flick (56) abgibt: «Verantwortung ist manchmal schon eine Last. Ich freue mich auf eine gewisse Freiheit.»
Schon über den Triumph bei der Weltmeisterschaft 2014 hatte sich Löw nicht ausgelassen freuen können. «Nach dem Turnier war ich nicht weit weg von einer depressiven Verstimmung. Nach jedem Turnier ist da eine Leere.» 2014 habe er länger gebraucht, wurde von mehr Selbstzweifeln geplagt als nach der WM-Blamage von 2018, als nach der Vorrunde Schluss war.
Und was kommt nach der langen Zeit im Brennglas? «Ja, wir haben auch darüber gesprochen, wie so die Pläne sind», berichtete Löw über das jüngste Treffen mit der Kanzlerin. «Ob uns langweilig wird? Wir hatten beide noch keine wirklichen Pläne.»
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