Später am Abend saß Ludger Beerbaum auf einer Bank unter der Haupttribüne des berühmten CHIO-Stadions. Die 40.000 Menschen, die den Springreiter zuvor gefeiert und verabschiedet hatten, waren längst daheim.
Mit einem Glas Weißwein und seinen Kindern neben sich ließ der 59-Jährige den letzten Tag seiner unvergleichlichen Sport-Karriere ausklingen – und fachsimpelte am Ende noch ein wenig mit Marcus Ehning, der zuvor den Großen Preis von Aachen gewonnen hatte.
«Ich bin froh, dass es die Entscheidung jetzt gibt», sagte der erleichterte Beerbaum, der lange gezaudert und gezögert hatte. Und erzählte vergnügt ein paar Anekdoten, etwa von seinem ersten CHIO-Start «vor 38 Jahren, da war ich neu und bin mit Gummistiefeln durch die Soers gerannt». Der erfolgreichste noch lebende Springreiter erzählte: «Ich bin, glaube ich, auf ein dreistelliges Fehler-Ergebnis gekommen. Ich habe damals nie geglaubt, dass ich hier noch mehr als drei Jahrzehnte dabei sein darf.»
Bei der Verkündung des Endes seiner Karriere am späten Sonntagnachmittag hatte der Springreiter feuchte Augen bekommen, die Gefühle übermannten ihn kurzzeitig. «Ich bin da rumgetrieben und rumgelaufen», sagte er zu seinem Ringen um eine Entscheidung. «Ich habe gedacht, wenn ich das noch halbwegs hinkriege diese Woche und zeigen kann, dass es halbwegs geht, dann ist es der richtige Zeitpunkt.»
«Ein großer, großer Mann»
Viele seiner langjährigen Weggefährten und Konkurrenten schwärmten von Beerbaum. «Ich habe es seit ein paar Wochen geahnt», sagte Ehning, der den Großen Preis von Aachen zum dritten Mal gewann – genauso oft wie Beerbaum. «Ich freue mich wahnsinnig für ihn, dass er hier in Aachen noch solche Runden gedreht hat und gezeigt hat, was er für ein Mann ist.» Der viermalige Olympiasieger habe «sehr große Bedeutung für mich und für den deutschen Reitsport». Er sei am Anfang der Karriere «ein großer Rückhalt für mich» gewesen, betonte Ehning.
«Er ist eine Legende», kommentierte der zweimalige Olympiasieger McLain Ward aus den USA: «Eine Inspiration.» Rodrigo Pessoa schwärmte: «Er ist so unglaublich für unseren Sport. Er war meine Referenz in jungen Jahren, ein Vorbild für mich. Was er für den Sport gemacht hat, ist mega, mega.» Der brasilianische Olympiasieger von 2004 betonte: «Er ist wirklich ein großer, großer Mann.» Beerbaum ist der weltweit erfolgreichste Springreiter nach dem 2018 gestorbenen Hans Günter Winkler. Gemessen an der Gesamtzahl der Goldmedaillen bei DM, EM, WM und Olympia war er sogar erfolgreicher als Winkler.
Schmerzliche Olympia-Niederlage 2004
Nicht nur Beerbaum selber kamen beim Abschied im größten Reitstadion der Welt ein paar Tränen, auch Otto Becker. «Ich habe es mir fast gedacht», sagte der um Fassung ringende Bundestrainer, der mit Beerbaum zusammen Medaillen gewann und auch manches Mal stritt. «Es geht eine Ära zu Ende», sagte der ehemalige Weltklasse-Reiter. Und fügte an: «Wir haben viele Höhen und Tiefen zusammen gehabt. Das ist ein emotionaler Moment.»
Zu den Tiefen gehörte der Verlust der Team-Goldmedaille von 2004 in Athen, die beide zusammen geholt hatten. Beerbaums Pferd Goldfever war zwar nicht gedopt, aber eine nicht angemeldete und damit verbotene Medikation führte zur nachträglichen Streichung von Beerbaums Ergebnis. Becker, Christian Ahlmann und Marco Kutscher verloren den Sieg und erhielten Bronze, da ihre Ergebnisse für den dritten Platz reichten. «Dass die anderen Reiter auch ihre Goldmedaille abgeben müssen, schmerzt besonders», sagte Beerbaum damals nach dem Gang durch die Instanzen der internationalen Sportgerichtsbarkeit.
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