Es ist unwahrscheinlich, dass Lionel Messi und seine Argentinier in der Vorbereitung auf ihr Achtelfinale bei der Fußball-WM auch Szenen aus alten Spielen des FSV Frankfurt oder des FC Ingolstadt gezeigt bekommen.
Auf den einst jahrelang in Deutschland spielenden Mathew Leckie sollten die Argentinier vor ihrem Duell mit dem krassen Außenseiter Australien aber ein besonderes Auge haben.
Der 31-Jährige ist der Offensivstar der Socceroos, die in Katar für Furore und in der Heimat für Ekstase sorgen. Ohne große Namen, dafür aber mit großem Teamgeist. Und mit Leckie: Vorkämpfer und Krankenpfleger in Personalunion.
Der beste Techniker im Team
«Mein Fanboy Nummer eins», scherzt Leckie über Mitspieler Martin Boyle, während er diesen im Rollstuhl umherschiebt. Kaum etwas könnte den Spirit der Socceroos besser veranschaulichen als dieses kurze Video, das sie getwittert haben. Leckie und Boyle teilen sich während des Turniers ihre Unterkunft. Wenn er morgens aufwache, mache Leckie das Licht an und bringe ihm Kaffee, berichtete Boyle dieser Tage. Notfalls helfe er ihm auch in die Dusche, so der Stürmer vom schottischen Club Hibernian FC. Boyle war unmittelbar vor dem WM-Start wegen einer schweren Knieverletzung aus dem Kader gerutscht – und ist doch weiter fester Bestandteil des Teams.
Der 29-Jährige ließ sich in Katar operieren und verfolgt die Spiele der Kollegen auf Krücken live im Stadion. Am Mittwoch wurde er Zeuge des ersten WM-Tores von Leckie, durch das die Australier 1:0 gegen Dänemark gewannen und zum zweiten Mal nach 2006 ins Achtelfinale einer WM einzogen. Alles, was er an diesem Tag erreicht hat, habe er sich als kleiner Junge erträumt, hatte Leckie anschließend gesagt. «Ich habe hart dafür gearbeitet», betonte er.
Der Offensivmann hat in Deutschland neben Frankfurt und Ingolstadt auch schon für Borussia Mönchengladbach und Hertha BSC gespielt und ist inzwischen für Melbourne City aktiv. Leckie ist der beste Techniker im Team der leidenschaftlichen Australier. Er ist Anführer und Antreiber, ackert auf dem Flügel unermüdlich – auch nach hinten.
Die Nation fiebert mit
«Er ist so ein wichtiges Mitglied unseres Teams, so ein Tier, so ein Biest», sagt Kapitän Mathew Ryan über ihn. Der Torwart des dänischen Meisters FC Kopenhagen ist eine weitere Schlüsselfigur in der Mannschaft aus Down Under. Genau wie Jackson Irvine vom FC St. Pauli oder Harry Souttar von Stoke City. Der zentrale Mittelfeldmann und der 1,98 Meter große Abwehrchef spielen als zwei von mehreren Australiern mit ihren Clubs in der zweiten Liga – und gegen Argentinien nun um einen historischen Erfolg. Denn im Viertelfinale einer WM standen die Socceroos noch nie.
«Wir reiten auf einer Welle», sagt Keeper Ryan. Die ist längst bis in die Heimat hinübergeschwappt. Mitten in der Nacht bejubelten Tausende Fans auf dem Federation Square, einem großen Platz in Melbourne, den Erfolg gegen Dänemark. Premierminister Anthony Albanese hat für den Fall des Titelgewinns bei der WM einen zusätzlichen Feiertag in Aussicht gestellt. Ob ernst gemeint oder nicht, fest steht: Die Nation fiebert mit.
Eines ihrer Ziele haben die Socceroos bei diesem Turnier damit schon erreicht. Den Fußball in der Heimat voranzubringen und neue Begeisterung auszulösen, hatte sich das Team von Trainer Graham Arnold fest vorgenommen. Er wolle «jetzt selbst eine Inspiration für die Kids sein», sagt Leckie. Gelingt ihnen gegen Messi und Co. das schier Unmögliche, gehen der Ex-Bundesliga-Profi und seine Kollegen sogar in die Geschichte ein.
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