Isolation im olympischen Dorf, begrenzte Kontakte, Maskenpflicht und die Angst, dass der Lebenstraum durch Corona-Ansteckung oder unverschuldete Quarantäne noch platzt
Die Sportpsychologen und Sportpsychologinnen sind im deutschen Team bei der Pandemie-Ausgabe der Olympischen Spiele in Tokio so wichtig wie wohl nie zuvor. «Klar, man ist mit den normalen sportpsychologischen Themen dabei, muss aber auch Animateur sein», sagte Franka Weber, Sportpsychologin des Deutschen Olympischen Sportbundes.
Bisher waren die olympischen Dörfer quirlige Begegnungsstätten für die besten Sportler der Welt, in das Ex-Basketball-Superstar Dirk Nowitzki 2008 in Peking unbedingt einziehen wollte. In Tokio ist es ein abgeschottetes Areal mit strikten Regeln, in das Athleten reingelassen werden, aber das sie nur zum Training und Wettkampf verlassen dürfen.
Gefahr von «Crowding»
Da kann schnell das Gefühl der Enge und der Bedrängnis, das in der Psychologie «Crowding» genannt wird, aufkommen. «Dann kann es schlechte Stimmung geben», sagte Weber, leitende Neuropsychologin in der August-Bier-Klinik in Bad Malente-Gremsmühlen. Deshalb wurden auch Pläne zur Unterhaltung der Athleten an den Abenden gemacht. «Spiele spielen, Gruppenentspannung vor dem Schlafengehen mit Fantasiereisen, damit sie etwas runterkommen», sagte sie.
Auch Kinoabende wird es geben. «Wenn es nach mir ginge: Ich habe einen Schrank voll sportpsychologischer Filme», sagte Weber. «Da werde ich sicher etwas von mitnehmen, aber auch ein paar Komödien, leichte Kost zur Ablenkung und zum Lachen. Lachen ist die beste Medizin.»
Karriereängste durch Corona
Viele deutsche Aktive haben aber auch schon in den Monaten der Pandemie und der Unsicherheit, ob die Tokio-Spiele ausgetragen werden oder nicht, psychologische Hilfe gesucht. «Ich habe einen Sportpsychologen, mit dem ich mich immer mal wieder austausche. Ich habe das Gefühl, es hilft mir», sagte der Weltklassefechter Max Hartung.
In dem Jahr nach der Verlegung der Sommerspiele plagten die Athletinnen und Athleten Karriereängste, die Sorge, ihre Handlungsfähigkeit zu verlieren und Ziele neu formulieren zu müssen. «Es ging darum, wie sie sich über Wasser halten können», so Weber. Siebenkämpferin Carolin Schäfer formulierte es vor ihrer Corona-Impfung, die sie mit Nebenwirkungen heftig aus der Bahn geworfen hatte, so: «Wer am besten mit der Situation zurechtkommt, körperlich, aber vor allem auch mental, der hat im Sommer die besten Chancen.»
Ihr Trainingspartner in Mainz, Zehnkämpfer Niklas Kaul, hat in der Pandemie keinen Psychologen konsultiert («Das kann man sicher, habe ich aber nicht gemacht»), hat aber für den Tokio-Aufenthalt eine persönliche Strategie. «Ich habe mir insofern Gedanken gemacht, egal, was da passiert, ich muss relativ flexibel damit umgehen», sagte der Zehnkampf-Weltmeister. «Das Schöne ist, ich hatte vor Wettbewerben Vorbereitungen, die so viel schlechter gelaufen waren als jetzt – und dennoch hat es funktioniert. Solche Sachen muss man sich in Erinnerung rufen.»
Abhänging vom Athletentypus
Ob Erfolgsdruck und Versagensängste durch diese Corona-Widrigkeiten und der fast totalen Reduzierung auf den eigenen Wettkampf verstärkt werden, hängt laut Weber vom Athletentypus ab. «Es gibt Sportler, die mit Hindernissen und Herausforderungen gut umgehen können. Dann gibt es andere, die das Gefühl haben, daran zu zerbrechen und sich nicht wieder aufraffen zu können.» Um auf die Extremsituation vorbereitet zu sein, haben zahlreiche Olympia-Starter Hilfe von Sportpsychologen genutzt, um in Tokio mental gewappnet zu sein.
«Wenn man so eine Krise überwunden hat, geht man da gestärkt raus, sagte Weber. «Alle, die gut aus der Pandemie gekommen sind, haben auch eine Stärke gewonnen.» Wenn ähnliches oder anderes passieren sollte, hätten die Athleten nun Strategien an der Hand: «“Kenn‘ ich, kann ich. Ich habe meine Tricks und Kniffe, das haut mich nicht um.“» Nichtsdestotrotz sei die Unsicherheit geblieben. «Jeder ist in so einer Hab-Acht-Stellung», sagte Franka Weber.
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