22. November 2024

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Kurioser 50-Minuten-Krimi: Basketballer siegen dank Wagner

Ein herausragender Franz Wagner, ein Protest und 50 Minuten Basketball: Das Duell zwischen Deutschland und Litauen wird bei der EM zu einem denkwürdigen Klassiker.

Der historisch starke EM-Start Deutschlands geriet nach dem 50-minütigen Basketball-Krimi gegen Litauen schnell in den Hintergrund.

Als die 18 017 euphorisierten Fans in der ausverkauften Arena in Köln noch den überragenden NBA-Jungstar Franz Wagner und Co. feierten, liefen im Hintergrund schon die Debatten, ob das 109:107 (96:96, 89:89, 46:41) nach zweimaliger Verlängerung Bestand haben kann. Die Litauer legten Protest gegen die Wertung ein, weil ihnen während der Partie nach einem technischen Foul gegen die deutsche Bank ein Freiwurf verweigert worden war. Eine offizielle Entscheidung des Weltverbandes Fiba stand am späten Sonntagabend noch aus.

Bundestrainer Gordon Herbert räumte ein, dass er erst wenige Sekunden vor Schluss der Partie von dem Fauxpas der Offiziellen mitbekommen habe. Der eine Punkt, den die noch immer sieglosen Litauer mit dem Freiwurf in der regulären Spielzeit hätten machen können, hätte in dem umkämpften Krimi spielentscheidend sein können. Doch statt Party in grün gab es den nächsten Heimsieg vor euphorischem deutschem Publikum. Das Ticket zur Endrunde nach Berlin (ab 10. September) ist bereits gelöst – nach dem 78:74-Sieg der Franzosen über Ungarn waren am Sonntagabend auch letzte mathematische Zweifel beseitigt.

«50 packende Minuten»

Und zur Schlüsselfigur gegen Litauen wurde Wagner, der mit seinen 32 Punkten an den jungen Dirk Nowitzki erinnerte. «Ich bin sehr stolz auf unsere Spieler, es waren harte 50 Minuten, aber wir haben es irgendwie geschafft. Ich weiß nicht, ob wir 55 Minuten geschafft hätten», sagte Herbert. Der 21 Jahre junge Matchwinner Wagner kommentierte: «Das hat extrem Spaß gemacht. Die Fans waren richtig crazy. Das Spiel ging hoch und runter. So ein Spiel zu gewinnen, ist unglaublich.» Für Wagner war es gerade einmal das achte Länderspiel, er hatte im August erst debütiert. Noch nie zuvor – nicht mal in der Nowitzki-Ära – hatte es drei Siege zum Start in ein EM-Turnier gegeben.

«Keine Ahnung was da noch kommt», sagte der vor allem in der Verlängerung wieder starke Maodo Lo zum litauischen Protest. «Ich denke, wir haben verdient gewonnen.» Präsident Ingo Weiss hatte dem Aufbauspieler von Alba Berlin vor lauter Euphorie zugerufen: «Ganz schön viel Eier in der Hose.» Lo hatte in den Schlussminuten mehrere Dreier verwandelt und so den Sieg mit eingeleitet.

Auch Kapitän Dennis Schröder (25 Punkte, acht Assists) war trotz schwacher Wurfquote einer der Garanten. «Dennis ist unser Anführer. Er ist Dreh- und Angelpunkt unserer Mannschaft – defensiv und offensiv. Er ist über die Jahre auch erfahrener geworden», sagte Lo über Schröder. «Basketball-Deutschland kann sich glücklich schätzen, einen Dennis Schröder zu haben.»

Auch die weiteren deutschen Profis waren nach dem Krimi mit zahllosen Wendungen euphorisiert. «Das ist Wahnsinn. Ich bin ein bisschen sprachlos, denn es war sehr, sehr intensiv. Aber es war geil», sagte Center Johannes Voigtmann. Wie intensiv es war, ließ sich in der Pressekonferenz der Litauer beobachten. Center Jonas Valanciunas musste diese unter Krämpfen verlassen, weil ihm die Partie in der Lanxess-Arena so zugesetzt hatte. Valanciunas war mit 34 Punkten und 14 Rebounds die zweite herausragende Figur des Nachmittags.

Hitzige Partie

Gegen die zuvor sieglosen Litauer, die wieder von tausenden in grün gekleideten Fans unterstützt wurden, war es von Beginn an hitzig und mitreißend. Der erst diese Woche von einer Knieverletzung genesene Center Daniel Theis steuerte die ersten fünf Punkte bei, Wagner war schon in den Anfangsminuten der auffälligste Akteur im deutschen Trikot: Er zog aggressiv zum Korb und zeigte auch in der Defensive mit einem Steal und einem spektakulären Block sein ganzes Repertoire.

Beeindruckend war, wie sich die Deutschen in der Zone gegen die beiden Riesen Valanciunas (2,13 Meter) und Domantas Sabonis (2,11 Meter) behaupteten. Vorne war Wagner überall: Der 21-Jährige von den Orlando Magic traf aus der Mitteldistanz, attackierte den Ring und übernahm dann auch noch von der Dreierlinie. «Franz war Wahnsinn», lobte Lo – ähnlich hatten sich fast alle anderen Teamkollegen geäußert. In der Verlängerung ging es hin und her: Mal führte Litauen, mal die Deutschen. Am Ende der 50 Minuten verfehlte ein letzter Dreier von Arnas Butkevicius das Ziel – und die Partie war entschieden.

Die Basketball-Begeisterung rund um die Multifunktionshalle in Köln ist enorm. Weit über 100.000 Zuschauern waren an den ersten drei Spieltagen bereits in der Arena, neben den deutschen Fans in Schröder- oder Nowitzki-Trikots waren vor allem die Litauer in riesiger Zahl vertreten und machten den Gastgebern am Sonntag sogar den Heimvorteil strittig. «Es ist geil. Es macht schon mega Bock, hier zu spielen. Die Fans sind unglaublich», sagte Johannes Thiemann über die in Deutschland eher unübliche Kulisse.

Auch Turnierbotschafter Nowitzki ist von der Festival-ähnlichen  Veranstaltung am Rhein angetan. «Fast 19.000 Fans in der Halle, da kribbelt es schon ein bisschen», sagte der 44 Jahre alte Superstar am Samstagabend im ZDF-«Sportstudio», wo er ausführlich über sich und den aktuellen EM-Hype sprach. Dieser ist bislang vorrangig in Köln zu spüren und nicht bundesweit, denn die Partien von Schröder und Co. sind ausschließlich im Livestream und nicht im Fernsehen zu sehen.

Von Patrick Reichardt und Lars Reinefeld, dpa