Der Druck steigt, die Unruhe wächst. Einen Monat vor dem geplanten Start in Peking gerät das olympische Eishockey-Turnier mehr und mehr in den Fokus.
Die Verunsicherung in den nationalen Verbänden und Ligen angesichts der prekären Corona-Lage ist inzwischen so groß, dass ernsthaft über eine Absage diskutiert wird. Stand jetzt ist dies (noch) unwahrscheinlich. Immerhin könnte dies in letzter Konsequenz nur das IOC entscheiden, doch völlig ausgeschlossen ist es eben auch nicht mehr. «Die Situation kann sich täglich ändern, das ist die Gefahr», sagte Franz Reindl als Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes der Deutschen Presse-Agentur und spricht von einem «dynamischen Prozess».
Spitzentreffen am Donnerstag
Reindl ist auch Mitglied des sogenannten Councils, dem Exekutivorgan des Weltverbandes IIHF, und kennt die Sorgen in den Verbänden. Die sind so groß, dass es am Donnerstag zu einer Art Krisensitzung kommt. Bei dem turnusmäßigen Treffen der IIHF-Spitze mit den nationalen Verbänden und Ligen-Vertretern in Zürich soll diesmal auch das Für und Wider des Olympia-Turniers erörtert werden. «Wir glauben nicht, dass etwas Großes passiert. Es ist aber wichtig, dass man spricht», sagte Reindl. «Man muss sich damit beschäftigen.»
Weltweit steigen die Corona-Fallzahlen. Doch in den Team-Sportarten, noch dazu in denen, die in Hallen ausgetragen werden, ist die Situation angespannter als in den Einzelsportarten. Nachdem in der weltbesten Liga NHL in Nordamerika immer mehr Teams in Quarantäne mussten und der Spielbetrieb teilweise außer Kraft gesetzt wurde, zogen die NHL-Mannschaften bereits die Zusage zurück, ihre Spieler freizugeben. Nur: Auch in anderen Ligen sieht es nicht anders aus.
In der Deutschen Eishockey Liga sind derzeit vier Teams nicht spielfähig, was die Spielplaner angesichts der Olympia-Pause im Februar in Not bringt. Gerade erst wurde die U20-WM in Kanada wegen etlicher Coronafälle und wohl auch einer löchrigen Blase abgebrochen. Die Coronabedingungen in China sind deutlich strenger, doch Bedenken bleiben. «Es sind schon noch Fragen zu klären. Was passiert zum Beispiel, wenn sich Spieler vor Ort oder bei der Rückreise infizieren?», sagte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke der dpa.
Tripcke: «Müssen Spieler abstellen»
Nur anders als der NHL sind der DEL die Hände gebunden. «Es gibt Verträge zwischen uns und dem DEB sowie IIHF-Regularien über Abstellungen zu anderen Nationalmannschaften. Die besagen, dass wir die Spieler abstellen», sagte Tripcke. In Deutschland könnten also nur die Spieler selbst angesichts möglicher Bedenken auf Olympia verzichten. «Ich bin sicher, dass die Spieler über die Bedingungen und Risiken untereinander auch sprechen. Sowohl hier bei uns in Deutschland, aber natürlich auch in anderen europäischen Ligen», sagte Tripcke, der genau darauf zu hoffen scheint.
«Es ist für die Spieler jetzt nicht der klassische Olympia-Spaß. Die deutsche Nationalmannschaft sollte da bestmöglich vertreten sein. Aber es ist für die Spieler natürlich ein Risiko», sagte Tripcke weiter bei MagentaSport. Vor allem aus anderen Ländern waren zuletzt bereits in der Tat kritische Stimmen zu hören. In Deutschland aber dürften Tripckes Worte eher verhallen. «Es gibt den ein oder anderen, der aus persönlichen Gründen lieber nicht hinfliegen möchte», bestätigte Angreifer Marcel Noebels vom Meister Eisbären Berlin, der 2018 in Pyeongchang mit Deutschland Silber gewann, der dpa.
Noebels: «Brauchen uns vor keinem verstecken»
Im deutschen Team steigt aber eher die Vorfreude. «Man darf nicht vergessen: Wir sprechen über Olympia. Das ist die größte Bühne, die man erreichen kann und die es gibt», sagte Noebels und Marco Nowak von der Düsseldorfer EG, zuletzt Kapitän der Nationalmannschaft, meinte gar: «Olympia mitzuerleben ist etwas ganz Großes. Wir sind alle bereit und heiß, etwas Großes zu schaffen.»
Dass die Vorfreude bei den deutschen Spielern überwiegt, hat einen guten Grund. Durch den NHL-Verzicht wächst der Glaube, wieder um die Medaillen mitspielen zu können. «Wir sind Fünfter der Weltrangliste. Da kann man schon mit breiter Brust auftreten. Wir brauchen uns vor keinem verstecken», sagte Noebels zu der unverhofft erneut großen Chance auf eine Überraschung. Die Absage des Turniers wäre somit für die meisten deutschen Spieler so bitter wie eine Corona-Infektion unmittelbar vor dem Olympia-Beginn. Undenkbar ist beides nicht mehr. «Es liegt nicht mehr nur in der Hand des Sports», sagte Reindl. «Man muss sich auf alle anderen Umstände einstellen.»
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