Nach einer der bittersten Niederlagen seiner Karriere winkte Alexander Zverev noch kurz ins Publikum, dann verließ er mit hängendem Kopf die Rod Laver Arena.
Der Tennis-Olympiasieger verlor in Melbourne im Halbfinale gegen seinen Erzrivalen Daniil Medwedew aus Russland mit 7:5, 6:3, 6:7 (4:7), 6:7 (5:7), 3:6 und gab dabei einen sicher geglaubten Sieg noch aus der Hand. Medwedew nutzte nach 4:18 Stunden seinen ersten Matchball und zerstörte damit Zverevs Traum vom ersten Grand-Slam-Titel.
«Natürlich ist es extrem enttäuschend, weil ich die vergangenen Monate sehr gut gespielt und sowohl in die Vorbereitung, als auch hier in Australien alles getan habe, was ich tun konnte», sagte Zverev nach der frustrierenden Niederlage.
Sechste Niederlage im siebten Grand-Slam-Halbfinale
«Gegen Ende des zweiten Satzes habe ich ein bisschen an Energie verloren. Ich bin etwas krank, hatte die Nacht vor dem Spiel Fieber. Das hat natürlich nicht geholfen», sagte Zverev, für den es im siebten Grand-Slam-Halbfinale die sechste Niederlage war. «Wenn ich weiter hart arbeite und meine Sachen mache, bin ich mir aber sicher, dass ich weitere Chancen bekommen werde.»
Medwedew bekommt es im Endspiel am Sonntag mit dem Italiener Jannik Sinner zu tun, der Titelverteidiger Novak Djokovic etwas überraschend mit 6:1, 6:2, 6:7 (6:8), 6:3 besiegte. Sinner beendete damit die Super-Serie des Serben in Melbourne. Es war die erste Niederlage des Weltranglisten-Ersten am Yarra River nach 2195 Tagen.
Letztmals hatte Djokovic sich 2018 im Achtelfinale dem Südkoreaner Chung Hyeon geschlagen geben müssen. Danach hatte er in Melbourne 33 Spiele in Serie gewonnen und 2019, 2020, 2021 und 2023 vier seiner zehn Titel in Melbourne geholt. 2022 fehlte er wegen seiner fehlenden Coronavirus-Impfung. Medwedew gegen Sinner ist das erste Australian-Open-Finale seit 2005, an dem weder Djokovic, Rafael Nadal noch Roger Federer teilnehmen.
Zverev stand bislang einmal in einem Grand-Slam-Finale. 2020 führte er im Endspiel der US Open gegen den Österreicher Dominic Thiem bereits mit 2:0-Sätzen, verlor dann aber doch noch die Partie. Der 26-Jährige wäre der dritte Deutsche im Herren-Finale der Australian Open gewesen. 1991 und 1996 stand Boris Becker im Endspiel von Melbourne und gewann beide Male. 2003 schaffte es überraschend Rainer Schüttler bis ins Finale, musste sich dort aber dem Amerikaner Andre Agassi klar in drei Sätzen geschlagen geben.
Zverev startet stark
Gegen Medwedew hatte Zverev lange Zeit alles im Griff. Doch dann versagten ihm in den Tiebreaks jeweils die Nerven. «Vor allem, dass ich im Tiebreak des vierten Satzes bei 5:4 es nicht zu Ende serviert habe, ist sehr bitter», sagte Zverev.
Wie bei seinem spektakulären Viertelfinalsieg gegen den Weltranglisten-Zweiten Carlos Alcaraz startete Zverev stark und nahm Medwedew gleich zweimal den Aufschlag ab. Allerdings half der Russe mit insgesamt vier Doppelfehlern auch fleißig mit. Zwar kam Medwedew zurück, nach 58 Minuten holte sich Zverev aber den ersten Durchgang.
Im vergangenen Jahr hatte Zverev fünf von sechs Duellen mit Medwedew verloren. Doch Zverev wollte dem keine große Bedeutung beimessen. «Er war letztes Jahr in Bestform, ich kam zurück aus einer Verletzung, mein Selbstvertrauen war nicht da», sagte Zverev. «Und dann lässt man sich durch vieles rausbringen. Das hat er letztes Jahr gut genutzt. Ich hoffe, dass ich in diesem Jahr ein anderer Spieler bin.»
Und in der Tat blieb Zverev dieses Mal ruhig und konzentriert. Medwedew wirkte aber auch lange seltsam emotionslos. Weil Zverev zudem die sehr langen Ballwechsel, eigentlich eine Spezialität von Medwedew, meist gewann, holte sich der 26-Jährige nach 1:43 Stunden auch Satz Nummer zwei.
Medwedew steigert sich
Im dritten Durchgang steigerte sich Medwedew. Der US-Open-Champion von 2021 schlug nun besser auf und nutzte eine Schwächephase von Zverev im Tiebreak, um sich den dritten Satz zu holen. Auch im vierten Satz hatte Medwedew leichte Vorteile. Wieder musste die Entscheidung im Tiebreak fallen, wo Zverev bereits 5:4 führte, den Vorsprung aber nicht behaupten konnte.
Im Entscheidungssatz leistete sich Zverev dann 21 leichte Fehler und kassierte zum 2:3 das entscheidende Break. «Er hat über vier Stunden eigentlich Weltklasse-Tennis gespielt, aber in den letzten Minuten leider nicht», analysierte Tennis-Legende Boris Becker als Experte bei Eurosport.
Djokovic nach Match gegen Sinner bedient
Sinner hatte zuvor gegen Djokovic eine ganz starke Leistung gezeigt und völlig verdient das erste Grand-Slam-Finale seiner Karriere erreicht. Djokovic war danach völlig bedient. «Das war eines meiner schlechtesten Grand-Slam-Matches, die ich je gespielt habe. Ich war schockiert von meinem Level, das ich gespielt habe», sagte Djokovic frustriert.
Der Italiener, bislang der dominanteste Spieler im Turnier, war einfach nur stolz. «Im Finale zu stehen, ist großartig. Ich werde mit einem Lächeln auf den Platz gehen», sagte der Davis-Cup-Champion des vergangenen Jahres.
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