An ein Schreckensszenario gegen Südkorea wie bei den Männern 2018 wollte Martina Voss-Tecklenburg erst gar nicht denken. Zwar drängten sich nach dem ganz bitteren 1:2 (0:0) gegen Kolumbien und dem drohenden Vorrunden-Aus bei der Fußball-WM Parallelen auf.
Die Bundestrainerin winkte bei einem Vergleich mit Joachim Löws DFB-Auswahl in Russland aber ab: «Wir haben es selber in den Füßen. Dann musst du auch das Selbstbewusstsein haben, das zu tun. Daran werden wir arbeiten und versuchen, die Dinge besser zu machen.»
Die DFB-Männer hatten sich als Titelverteidiger vor fünf Jahren in Kasan mit einem 0:2 im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea aus dem Turnier verabschieden müssen. Die deutschen Fußballerinnen spielen am kommenden Donnerstag im entscheidenden Gruppenspiel: gegen Südkorea. Ein Sieg reicht zum Weiterkommen, ein Remis könnte aber schon das Aus bedeuten.
Gebrauchter Tag
«Also, ich hoffe nicht», antwortete Lena Oberdorf auf die Frage zum möglichen Aus. «Wenn wir 100 Prozent geben und wirklich komplett ins Spiel gehen, und jeder für jeden rennt und wir vielleicht noch ein bisschen mehr Spielfreude offensiv entwickeln – dann glaube ich schon, dass das machbar ist.»
Der gestrenge Blick der Bundestrainerin eine knappe Woche nach dem 6:0 gegen Marokko verriet viel über die Stimmungslage an diesem gebrauchten Sonntag beim deutschen Team. «Brutal weh» tue dieses Ergebnis, räumte die 55-Jährige ein. Statt den Einzug ins Achtelfinale vorzeitig perfekt zu machen, gehen die Rechenspielchen los. Immerhin: Die Ausgangslage als Gruppenzweiter hinter Kolumbien und vor Marokko sowie dem punktlosen Vierten Südkorea ist weiterhin sehr vielversprechend.
«Es ist einfach mega bitter», sagte Kapitänin Alexandra Popp in der ARD. «Wir hatten das Spiel eigentlich grundsätzlich im Griff.» Es habe «vielleicht der letzte Mut Richtung Tor gefehlt, das letzte Eins-gegen-Eins zu gewinnen». Es sei «aber noch nichts verloren».
Superstürmerin trifft
Kolumbiens Superstürmerin Linda Caicedo (52. Minute) und Manuela Vanegas (90.+7) rissen die deutschen Fans unter den 40.499 Zuschauern mit ihren Toren aus allen Träumen vom vorzeitigen Achtelfinal-Einzug. Den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielte Popp in der 89. Minute per verwandeltem Foulelfmeter. Die DFB-Auswahl tat sich in der Partie insgesamt schwer, konnte sich nur wenige zwingende Chancen erspielen.
«Kopf hoch! Beim nächsten Gruppenspiel gegen Südkorea läuft es wieder besser», twitterte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach der ersten deutschen Niederlage in einer WM-Gruppenphase seit 1995. Innenministerin Nancy Faeser schrieb: «Ich bin mir sicher: ihr schafft es ins Achtelfinale!»
Nach dem überraschenden 1:0 Marokkos gegen Südkorea wenige Stunden zuvor wäre das mit einem Sieg gegen Kolumbien schon am Sonntag gelungen. «Wir dürfen jetzt nicht alles schwarz malen», mahnte Svenja Huth. Lina Magull sagte: «Wir haben vieles richtig gemacht, aber Richtung Tor war es heute zu wenig.» Mögliche Gegnerinnen in der K.-o.-Runde bei einem Weiterkommen sind Frankreich, Brasilien oder Jamaika.
Fans aus Kolumbien in der Überzahl
Im Stadion ging es für die Vize-Europameisterinnen gleich richtig zur Sache. Zumal die Fans aus Kolumbien in eindeutiger Überzahl waren und einen Höllenlärm veranstalteten. Die sehnlichst zurückerwartete Oberdorf zeigte von Anfang an, weshalb sie als Mittelfeld-Abräumerin so wichtig ist und störte immer wieder den Spielaufbau der Caféteras.
Nach all den Verletzungssorgen in der Defensive fiel zur Pause auch noch Sara Doorsoun aus, die Vertreterin von Abwehrchefin Marina Hegering – Muskelverhärtung im Oberschenkel. Erst am Freitag hatte Außenverteidigerin Felicitas Rauch eine Kniestauchung erlitten. Als sich das deutsche Team kurz neu sortieren musste, fiel prompt das spektakuläre 1:0 für Kolumbien. Die 18 Jahre alte Caicedo setzte sich gegen die so erfahrenen Huth und Sara Däbritz durch und schlenzte den Ball in den Winkel. Als Oberdorf von Torhüterin Catalina Pérez gefoult wurde, verwandelte Popp den fälligen Strafstoß. Der Treffer reichte dennoch nicht zum Sieg: Vanegas traf per Kopf nach einer Ecke.
Was nun? Oberdorf verwies auf das intensive Training im Team und meinte: «Von daher ist da schon echt Feuer drin und deswegen müssen wir, glaube ich, gar nicht so viel ändern, sondern mit vollem Vertrauen ins nächste Spiel gehen und dann wieder Fußball zeigen.»
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