Mark Cavendish schüttelte grinsend den Kopf und wollte nach seiner nächsten Sprint-Show erst gar nicht über den Uralt-Rekord von Legende Eddy Merckx sprechen.
«Sag den Namen nicht. Ich denke daran nicht. Ich habe gerade eine Tour-Etappe gewonnen. Manche arbeiten für so einen Sieg ihr ganzes Leben lang», sagte King Cav, nachdem er am Donnerstag bei seiner wundersamen Comeback-Tour den 32. Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt geholt hatte.
Cavendish wieder top
Ob er es will oder nicht – die Hochrechnungen haben längst begonnen. Zwei Siege fehlen dem in den letzten Jahren tief gefallenen Weltmeister von 2011 noch, um die Bestmarke des Kannibalen zu egalisieren. Und es warten noch fünf Chancen auf die Sprinter. In der Form der 6. Etappe ist der Rekord nur eine Frage der Zeit. Im Stile eines Champions triumphierte Cavendish vor dem Belgier Jasper Philipsen und dem Franzosen Nacer Bouhanni auf der sechsten Etappe nach 160,6 Kilometern von Tours nach Chateauroux, wo er bereits zweimal gewonnen hatte.
«Ich kann es nicht glauben. Es sind zehn Jahre seit meinem letzten Sieg hier. Es war eine ähnliche Art wie heute», berichtete der Mann von der Isle of Man, der hinter dem Zielstrich seine Teamkollegen abklatschte. «Brillant», rief Cavendish, der auch seine Führung in der Punktewertung ausbaute. Sein einstiger Dauerrivale André Greipel spielt bei den Sprints dagegen keine große Rolle mehr und landete auf Platz 23. Der 38-Jährige war erneut chancenlos, der Traum vom zwölften Etappensieg scheint sich nicht mehr zu erfüllen.
Weiter im Gelben Trikot ist Cross-Weltmeister Mathieu van der Poel unterwegs. Der Enkel des 2019 verstorbenen Tour-Idols Raymond Poulidor liegt acht Sekunden vor Titelverteidiger Tadej Pogacar, der am Vortag in beeindruckender Manier das Einzelzeitfahren gewonnen hatte. Spätestens in den Alpen am Wochenende sollte der Slowene den weniger bergfesten van der Poel an der Spitze der Gesamtwertung ablösen. Gesamtdritter ist der Belgier Wout van Aert.
Für die Schlagzeilen am Donnerstag sorgte aber King Cav – mal wieder. Dabei hatte der Supersprinter bereits im vergangenen Herbst vor dem Karriereende gestanden, nachdem er – zweieinhalb Jahre ohne Sieg – keinen Vertrag mehr hatte. Beim belgischen Deceuninck-Quick-Step-Team fand er aber wieder zu alter Stärke zurück. Fast wie in den Jahren 2008 bis 2011, als er bei den Tour-Sprints kaum zu schlagen war.
Kluge lange an der Spitze
Lange Zeit hatte sich Roger Kluge an der Spitze gezeigt. Der Bahnradspezialist war gut 25 Kilometer nach dem Start mit Olympiasieger Greg van Avermaet ausgerissen. Mehr als zwei Minuten ließen die Sprinter-Teams das Duo aber nicht ziehen, so dass es bei Kilometer 157 wieder zum Zusammenschluss kam. Nachdem Sprintstar Caleb Ewan mit einem Schlüsselbeinbruch das Rennen verlassen hat, kann Anfahrer Kluge im Lotto-Soudal-Team auch selbst seine Chance suchen.
In Sachen Corona durften unterdessen alle Teams aufatmen. Alle 177 Fahrer sowie die Betreuer wurden am Vortag negativ auf das Coronavirus getestet, wie die «L’Équipe» schrieb. Es waren die ersten Tests seit dem Start. Hat eine Mannschaft innerhalb von sieben Tagen zwei corona-positive Fahrer, wird sie von der Tour ausgeschlossen. Weitere Tests finden an den beiden Ruhetagen statt.
Bevor es am Wochenende in die Alpen geht, winkt am Freitag den Ausreißern auf der längsten Etappe die Chance auf einen Sieg. 249,1 Kilometer sind von Vierzon nach Le Creusot zurückzulegen. Fünf Bergwertungen im letzten Drittel der Etappe dürften für die Sprinter kaum machbar sein. Und für die Anwärter auf den Gesamtsieg geht es darum, die Kräfte für die ersten Bergetappen zu schonen.
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