Laura Ludwig kennt das noch aus London und Rio. Wie es ist, wenn man bei Olympischen Spielen vor dem Match in ein volles Beachvolleyball-Stadion joggt und die Zuschauer auf den Tribünen einem schon vor dem ersten Ballwechsel entgegenbrüllen.
In Tokio? Klatschen eine Handvoll Betreuer und die Volunteers in ihren blauen Shirts gegen die Einlaufmusik an. «Es ist schon komisch», sagt die Olympiasiegerin zur Atmosphäre auf dem Center Court im Shiokaze Park. Wegen Corona darf kein zahlender Fan in die Arenen, außer den anderen Sportlerinnen und Sportlern und Mitgliedern der Delegationen sind nur noch die Menschen mit Aufgaben da: Volunteers und Medienschaffende.
«Man vergisst das teilweise»
Allerdings: Lange halte dieser komische Eindruck nicht an. «Man vergisst das teilweise wirklich, dass da keine Zuschauer sind. Am Anfang, wenn man Aufschläge macht, denkt man noch: krass, wie ruhig das hier ist. Aber das ist komplett weg dann», sagt die 35 Jahre alte Fahnenträgerin. Die mitunter deplatziert und traurig wirkenden Anfeuerungsanimationen auf den Leinwänden nehmen die Spielerinnen und Spieler gar nicht wahr.
Neben Ludwig berichten das noch andere Athletinnen und Athleten. Sobald die Mitglieder des deutschen Teams in Japan auf dem Weg zu Gold, Silber und Bronze wettstreiten, stecken sie im Tunnel. «Als der Wettkampf dann losging, war ich voll konzentriert und bei der Sache und habe nicht an Corona oder irgendetwas anderes gedacht. Wenn das Licht ausgeht und auf den Bahnen die Lampen an, ist da eh nur der Gegner», erzählt Säbelfechter Max Hartung.
Der scheidende Athletensprecher verschweigt aber nicht, dass in Japan trotzdem etwas fehlt. «Für mich ist es vielleicht weniger schlimm als für die, die das erste Mal dabei sind. Durch das Dorf zu ziehen und mit anderen Athleten zu quatschen, diesen besonderen Ort zu erleben und die vielen verschiedenen Sprachen zu hören – dieses Flair geht natürlich schon verloren», sagt Hartung. Die Sorge vor einer Ansteckung mit Corona ist da, in das berüchtigte Isolationshotel des positiv getesteten Radfahrers Simon Geschke will niemand.
Olympia-Neulinge trotzdem glücklich
Im Bewusstsein, dass sie zwar etwas verpassen, scheinen aber gerade die Olympia-Neulinge trotz der fehlenden Kulisse glücklich mit ihrer olympischen Erfahrung. «Olympisches Flair kommt auf jeden Fall trotzdem auf. Da muss man den Japanern echt ein Riesenkompliment machen. Wie das Ganze organisiert ist und die Wettkampfstätten aufgebaut, das hätte auf jeden Fall verdient gehabt, dass das Stadion voll ist. Es macht richtig viel Spaß», sagt Beachvolleyballer Clemens Wickler. Hockey-Nationalspieler Florian Fuchs nimmt «die Atmosphäre als sehr positiv wahr. Es sind immer wieder Leute da, die wild zum Bus winken. Bei der Eröffnungsfeier waren die Leute sehr begeistert.»
Oft reichen auch die Rufe und Reaktionen der eigenen Teams auf den Rängen, sich nicht ganz verloren zu fühlen im Geschehen. «Wir unter uns jubeln ganz normal, die anderen jubeln unter der Maske. Die Emotionen merkt man auch, wenn man den Mund nicht sieht», sagt Bogenschützin Michelle Kroppen, die im Team Bronze holte.
Die Einschätzung von Wicklers Beach-Kollegen Julius Thole teilen viele andere sinngemäß: Die Spiele «jetzt auch noch mit Zuschauern, das wäre natürlich noch ein anderes Flair. Gleichzeitig haben wir das jetzt einfach anderthalb Jahre auch geübt, wir kennen das und können damit umgehen. Für alle Teams ist das ja zur Zeit Normalität.»
Um diese Normalität im weitesten Sinne sind die Veranstalter auch bemüht. Ob beim Basketball, beim Turnen, in der Schwimmhalle oder in den Pausen beim Handball: Wo normalerweise mit Musik oder Kommentaren über die Lautsprecher Stimmung gemacht und das Geschehen untermalt wird, passiert das auch in Tokio. Künstliche Atmo vom Band ist die Ausnahme, die gewohnten Sounds rund um den Sport werden geschätzt. «Das ist ganz, ganz wichtig. Sonst würde das gar nicht rüber kommen. Ohne die Musik: Katastrophe», sagt Beachvolleyballerin Karla Borger.
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