24. November 2024

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Kein Bier, aber Freiheit: Geschkes Alptraum ist zu Ende

Verriegelte Fenster, eine Nagelfeile als Obstmesser. Die widrigen Umstände der japanischen Corona-Quarantäne gehören für Simon Geschke seit Sonntag der Vergangenheit an.

Vor dem Ende seines olympischen Alptraums verbrachte Simon Geschke eine fast schlaflose Nacht. Seine Koffer waren längst gepackt, als die Stimme im Lautsprecher des Quarantäne-Hotels den Radprofi wie jeden Morgen in den vergangenen acht Tagen um 7.00 Uhr zum Fiebermessen aufforderte.

Ein paar Stunden später war Geschke endlich am Flughafen und erlebte die nächste unliebsame Überraschung. «Und gerade wenn du denkst, dass es besser wird … kommst du am Flughafen an und es wird kein Bier verkauft», scherzte er via Twitter.

Überraschung bei der Ankunft

Dafür wurde der 35-Jährige am Sonntagabend am Flughafen in Frankfurt/Main von einem Fernsehteam mit einem Sechserpack Bier empfangen. Geschke wirkte müde nach dem langen, elfstündigen Flug – aber gut gelaunt.

Während der Reise dürfte er bemüht gewesen sein, «die nutzloseste Reise meiner Karriere» hinter sich zu lassen. «Ich hatte schon viele großartige Reisen nach Japan. Meine Erinnerungen werden immer die an ein wunderschönes Land mit sehr netten Menschen sein. Dieser Trip wird das nicht ändern», sagte Geschke. Mehr als sechs Wochen war er nicht zu Hause, nachdem er direkt von der Tour de France nach Tokio gereist und einen Tag vor dem Start im Straßenrennen trotz Impfung positiv auf das Coronavirus getestet worden war.

Bis zuletzt zehrte die Quarantäne in dem abgewohnten Hotel in Tokio an seinen Nerven. «Das ist langsam wie Knast hier», sagte Geschke der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. «Beim Frühstück gab es eine Grapefruit, aber wir kriegen keine Messer. Ich habe keine Lust mehr auf diesen Kindergarten. Man sitzt dann da mit einer Nagelfeile da und fragt sich, wie man in diese Situation geraten ist.»

Freiheit nach zwei negativen Tests

Die Nagelfeile war Geschkes Messer-Ersatz, vornehmlich für die Brötchen eingesetzt. Ein niederländischer Trainer zeigte ihm dann noch einen Trick. «Der ist einfach auf einen Plastiklöffel getreten. Als der zerbrochen war, war er so scharf wie ein Messer», sagte der frühere Tour-Etappensieger. Die Fenster blieben die ganze Quarantäne über verschlossen, Pakete an ihn wurden vor der Übergabe gefilzt.

Maximal 14 Tage hätte Geschke nach den Regeln der Gastgeber in Quarantäne verbringen müssen. Nach zwei negativen Tests durfte er aber das Hotel verlassen. In den vergangenen Tagen war große Kritik an den Zuständen in dem abgeschotteten Hotel aufgekommen. Daraufhin hatten die Gastgeber die Bedingungen etwas verbessert. «Ich habe gemerkt, dass sie sich ein bisschen mehr Mühe geben. Beim Frühstück gibt es mehr Obst und heute hat mich auch eine Psychologin angerufen», sagte der Cofidis-Profi.

Er war völlig überwältigt von der Resonanz auf seine Situation. «Ich war überrascht, was das für eine Welle ausgelöst hat», sagte Geschke. Er gab selbst australischen und japanischen TV-Sendern Interviews, bekam über Social Media viel Mut zugesprochen. «Auf Instagram habe ich immer ein wenig über meinen Alltag berichtet. Das fanden die Leute offenbar interessant.»

«Sportler zweiter Klasse»

Nachdenklich stimmte Geschke, dass es tatsächlich keinen Ausweg aus der japanischen Quarantäne gab. Als Fußball-Profi Thomas Müller von Bayern München bei der Club-WM in Katar im Februar positiv getestet worden war, saß er wenig später in einem Privatflieger Richtung Heimat. «Der Fußball ist eben eine andere Welt. Auch in Deutschland fühlt man sich immer als Sportler zweiter Klasse, wenn man nicht Fußball spielt», sagte Geschke. «Letztes Jahr haben so viele Sportler unter dem Lockdown gelitten, aber die Fußballer durften trainieren.»

Ins Training darf der Bergspezialist in den kommenden Tagen auch endlich wieder einsteigen. Zwar hatte Geschke zum Ende seiner Quarantäne eine Rolle im Zimmer stehen, doch mehr als 45 Minuten Fahrt waren nicht drin. Seinen für ab Donnerstag geplanten Renneinsatz in Norwegen strich sein Team. Wann er wieder fährt, soll sich demnächst entscheiden.

Von Tom Bachmann und Stefan Tabeling, dpa