23. November 2024

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«Kein besseres Drehbuch»: Historisches Finale der Rugby-WM

Ian Foster hätten einige längst vom Hof gejagt. Trotz aller Zweifel steht der Trainer mit den All Blacks im Finale der Rugby-WM. Es ist nur eine von vielen Geschichten vor dem Duell mit Südafrika.

Eine letzte Hymne, ein letzter Haka, und am Ende womöglich ein Rekord: Mit dem Finale der Rugby-WM endet für Ian Foster eine Reise, die an Turbulenzen kaum zu überbieten ist. «Man hätte kein besseres Drehbuch schreiben können», sagte der Trainer von Neuseelands berühmten All Blacks.

Foster stand vor einem Jahr mehrfach kurz vor dem Rauswurf, rettete seinen Job, doch nach dem Endspiel ist trotzdem Schluss. Kurz vor Beginn der WM kassierte er auch noch die höchste Niederlage in der Geschichte der All Blacks. Und überall spielte der Final-Gegner Südafrika eine entscheidende Rolle.

«Diese Leistung nimmt uns den Druck. Niemand wird nun auf uns setzen, was ganz schön ist», sagte Foster nach dem 7:35 gegen Südafrika. Die historische Klatsche setzte es nur zwei Wochen vor dem WM-Auftakt und zudem zu einer Zeit, als man in Neuseeland dachte, das Schlimmste bereits hinter sich zu haben. Fünf von sechs Spielen hatte man zwischen November 2021 und August 2022 verloren. Eine ungeheuerliche Serie für die All Blacks, deren Status in der Heimat weit über den einer Sportmannschaft hinausgeht.

All Blacks wollen Rekordhalter werden

Als man in einem Testspiel in Südafrika kurz vor dem Ende erneut zurücklag, war das Aus von Foster im Prinzip besiegelt. Doch ein erstaunliches Comeback mit zwei Versuchen in den letzten sieben Minuten beendete Neuseelands Alptraum-Serie und der 58-Jährige durfte im Amt bleiben. Allerdings auf Zeit, denn im März wurde öffentlich, dass bereits Scott Robertson als Nachfolger für die Zeit nach der WM gefunden wurde.

Ausgerechnet bei seinem letzten Tanz am Samstagabend (21.00 Uhr/ProSiebenMaxx) im Pariser Stade de France kann Foster sich unsterblich machen. Er könnte Neuseeland zum vierten WM-Triumph führen und damit vor Südafrika zum alleinigen Rekordweltmeister machen. Eine Chance, die nach der Niederlage zum WM-Auftakt gegen Gastgeber Frankreich die meisten Experten für minimal gehalten hatten.

Doch nicht nur für Foster geht es um den Eintrag in die Geschichtsbücher. Flügelspieler Will Jordan erzielte bei dieser WM bereits acht Versuche und zog mit den Rekordhaltern Jonah Lomu, Julian Savea (beide Neuseeland) und Bryan Habana (Südafrika) gleich. Da Jordan erst 25 Jahre alt ist, wackelt sogar die WM-Bestmarke von Legende Lomu. Der 2015 verstorbene All Black erzielte 15 WM-Versuche in seiner Karriere. 

Ikonisches Duell vor 30 Jahren

Das Duell zwischen den All Blacks und den Springboks trieft ohnehin vor Historie. Seit über 100 Jahren duellieren sich die beiden Teams und fast 30 Jahre nach einem ikonischen Spiel trifft man sich erneut im WM-Finale. Das Endspiel der Heim-WM 1995 war über den Sport hinaus enorm bedeutend, es vereinte Südafrika nach dem Ende der Apartheid.

Ein Jahr zuvor war Nelson Mandela zum Präsidenten gewählt worden, im Finale überreichte er im grünen Springbok-Trikot und mit grüner Kappe dem weißen Kapitän Francois Pienaar den WM-Pokal. Mit 15:12 hatte man den großen Favoriten Neuseeland besiegt, war erstmals Weltmeister geworden. Fast anderthalb Jahrzehnte später wurde in Hollywood der Film «Invictus» über das Spiel gedreht. Morgan Freeman und Matt Damon spielten die Hauptrollen, Clint Eastwood führte Regie.  

Ein Erbe der Entwicklung ist Siya Kolisi. Vor fünf Jahren wurde er zum ersten schwarzen Kapitän Südafrikas ernannt, ein Jahr später gewann er mit seinem Team in Japan eher unerwartet den dritten WM-Titel. Am Samstag führt er die Südafrikaner erneut auf das Feld und stellt sich vor dem Anpfiff mit seinen Mitspielern dem Haka, dem maorischen Kriegstanz, den die All Black vor jedem Spiel zeigen.

Kolisi kann Geschichte schreiben: Als erst zweiter Kapitän nach Neuseelands Richie McCaw könnte der 32-Jährige seinen zweiten WM-Titel gewinnen. «Wir wissen, dass sich viele Fans die Reise hierher nicht leisten können. Doch jede Nachricht, jedes Video, was wir geschickt bekommen, macht uns stärker», sagte Kolisi. «Hoffentlich können wir den Titel wieder holen.»

Von Tom Bachmann, dpa