24. November 2024

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«Kein Bammel»: Nagelsmann geht große Aufgabe ohne Zweifel an

Voller Stolz und mit großer Hoffnung präsentiert der DFB Julian Nagelsmann als Hoffnungsträger für die Heim-EM. Dessen Idealvorstellung: ein Sommermärchen.

Nach seinem ersten Auftritt als Bundestrainer stand Julian Nagelsmann vor ein paar Blätterteigteilchen und Limo am Büfett – und das Grinsen wich ihm auch da kaum aus dem Gesicht. Schlagfertig wie immer in seiner steilen Trainer-Karriere hatte der 36-Jährige auch seine erste DFB-Pressekonferenz zuvor absolviert.

Der frühere Bayern-Coach trägt nun große Hoffnungen der geplagten Fußball-Nation. Für eine erfolgreiche Heim-EM 2024 und einen Weg aus der Dauerkrise. «Ich habe keinen Bammel davor», versicherte der selbstbewusste Trainerstar vor seiner nächsten großen Aufgabe. «Das Verantwortungsbewusstsein habe ich schon, weil ich weiß, dass es nationales Interesse ist, eine gute Heim-EM zu spielen.»

Sein Vertrag läuft erst mal nur bis zum 31. Juli 2024 – zweieinhalb Wochen nach dem Endspiel der Europameisterschaft. Aber Nagelsmann ließ auf dem DFB-Campus in Frankfurt/Main keine Zweifel daran, dass er auch weitermachen würde, wenn alles zusammenpasst: «Dann steht dem nichts im Weg, dass wir über eine weitere Zusammenarbeit sprechen können.»

«Sommermärchen 2.0» als Idealvorstellung

«Sommermärchen 2.0 – das ist die Idealvorstellung», sagte Nagelsmann mit Blick auf die Europameisterschaft vom 14. Juni bis 14. Juli 2024. «Der DFB hatte den Wunsch, wir hatten den Wunsch, dass gegenseitige Arbeit Vertrauen weckt und nicht das Papier als solches.» Auch so etwas habe er in seiner Zeit beim FC Bayern gelernt, wo er einst einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben hatte und von einem «Langzeitprojekt» die Rede war.

Sichtlich stolz saß Verbandspräsident Bernd Neuendorf auf dem Podium neben dem neuen Cheftrainer des Weltmeisters von 2014. «Wir sind überzeugt, dass Julian Nagelsmann als Bundestrainer dafür sorgen wird, dass die Nationalmannschaft ihre Fans begeistert und die EURO auch sportlich ein Erfolg wird», sagte er. Nur zwölf Tage nach der Freistellung von Hansi Flick schaffte es der krisengeplagte DFB bei seiner derzeit fortlaufenden Postenvergabe, den neuen Bundestrainer fix zu machen – und das bei einer schwierigen Marktlage. Auch dank des FC Bayern, wo Nagelsmann noch bis 2026 unter Vertrag stand.

Völler lobt auch den FC Bayern

So lobte Völler alle Beteiligten für die unkomplizierte Abwicklung des spektakulären Wechsels. «Julian selbst und sein Management sind uns unglaublich entgegengekommen, das war so in der Form nicht zu erwarten», sagte der Kurzzeit-Teamchef beim jüngsten 2:1 der DFB-Männer gegen den WM-Finalisten Frankreich. Der 63-jährige Völler wollte aber keinesfalls weitermachen und will künftig auch nicht neben Nagelsmann auf der Bank sitzen.

«Auch ein Lob für Bayern München, die haben wunderbar mitgespielt und sind uns und Julian entgegengekommen», sagte Völler. Einem «Bild»-Bericht zufolge hat der deutsche Meister keine Ablöse für Nagelsmann verlangt. Und der gebürtige Landsberger wiederum soll deutliche Einbußen beim Gehalt in Kauf genommen haben. Dafür, betonte Nagelsmann, wolle er aber «keine Lorbeeren: Ich freue mich, dass ich das Vertrauen bekommen habe.» Der Vorschlag von Neuendorf und Völler ging nach DFB-Angaben einstimmig durch Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung. Vertragsdetails wollte Neuendorf nicht publik machen.

Mit Nagelsmann, der wie schon beim FC Bayern ein zweites Mal Flick nachfolgt, wird sich auch die Tonalität in der Nationalmannschaft ändern: Der gebürtige Landsberger verblüffte schon mit seiner Rhetorik und seiner mitreißenden Art, als ihn die TSG 1899 Hoffenheim als 28-Jährigen erstmals zum Cheftrainer in der Bundesliga machte. Er spricht eher die Sprache der Spieler als einer wie der pragmatische Flick (58).

Wagner und Glück als Co-Trainer

Der jüngste Bundestrainer in der DFB-Geschichte ist Nagelsmann nicht: Vor fast 100 Jahren trat Otto Nerz als Erster an, er war 1926 bei seinem Amtsantritt 34 Jahre und neun Tage alt.

Nagelsmann kommt mit seinem früheren Hoffenheimer Spieler Sandro Wagner, seit kurzem ohnehin beim DFB beschäftigt, und seinem langjährigen Mitstreiter Benjamin Glück als Co-Trainer. Der 37-jährige Glück arbeitete bereits in Hoffenheim, bei RB Leipzig und zuletzt beim FC Bayern in Nagelsmanns Team. Von Wagners Reaktion erzählte Nagelsmann: «Dann war es Sandro-typisch: Das Telefon wurde sehr warm an meinem Ohr, weil er sehr gebrannt hat.»

In München kam Nagelsmann schon mal auf einer Harley oder auf einem Longboard zum Training. Bei seinem DFB-Antritt zeigte er sich zwar nach halbjähriger Auszeit gut erholt und braun gebrannt, aber nicht wie sonst schon oft in einem auffälligen Outfit. Er trug einen unauffälligen dunkelblauen Blouson und eine graue Hose.

Gündogan bleibt Kapitän

«Was ist das?», fragte Völler (63), als die Sprache auf das Longboard kam. Nagelsmann wollte es dem DFB-Sportdirektor später mal erklären. Vielleicht gibt’s auf der ersten großen gemeinsamen Dienstreise des Duos Gesprächsgelegenheit für Lifestyle-Themen: Am 14. Oktober spielt das Nationalteam bei seiner Reise zu den WM-Gastgebern 2026 in Hartford gegen die USA. Drei Tage darauf (Ortszeit) geht es in Philadelphia gegen Mexiko. Dann sollte man Nagelsmanns Handschrift erstmals sehen.

Triple-Sieger Ilkay Gündogan wird das Team auch dann als Kapitän anführen. Nagelsmann will daran nichts ändern. Flick hatte – quasi als letzte Amtshandlung – Joshua Kimmich die Binde weggenommen. «Ich belasse es dabei, in bin von Ilkay als Mensch und Spieler extrem überzeugt», sagte Nagelsmann, der zwölfte Bundestrainer der DFB-Historie. «Wir gehen es an mit viel Enthusiasmus, mit großer Vorfreude», versicherte er mit leuchtenden Augen. Er wolle die Fußball-Nation bei der EM begeistern – «und schon auf dem Weg dorthin».

Von Ulrike John, Klaus Bergmann und Florian Lütticke, dpa