Jahrzehntelang kämpften die Rodlerinnen und Rodler um jede Tausendstelsekunde. Ob bei der Einstellung der Schlitten, bei der Wahl der Laufschienen, bei der Aerodynamik der Anzüge und Helme, selbst bei den Schuhen wurde getüftelt. Nun sind plötzlich irre Szenen im Eiskanal zu sehen.
Aufgrund der Wetterkapriolen in den vergangenen Wochen wird abgebremst, um bei den eher Wasserrutschen ähnelnden Kunsteisbahnen mit besserer Startnummer im zweiten Lauf noch zum Sieg fahren zu können. Die Besten des ersten Laufs starten zuletzt – die Bahn wird aber von Fahrt zu Fahrt schlechter.
«Das war mehr Pokern als Rodeln», schimpfte der dreimalige Olympiasieger Felix Loch zuletzt beim Weltcup in Oberhof. Der souverän im Weltcup führende Max Langenhan gab vor dem nächsten Rennen am Wochenende in Thüringen zu, ebenfalls gebremst zu haben: «Es ist schade für den Sport, aber man will ja gewinnen und tut dann alles dafür.»
Athleten fordern Ändrungen
Wie er bremsten auch einige Athleten in Lauf eins mit den Füßen auf dem Eis oder bauten absichtlich Fehler ein. Das Erscheinungsbild der rasanten Sportart leidet. Daher fordern die Sportler Änderungen – der Weltverband Fil sucht nach Lösungen. «Es so hinzubiegen, dass es bei den widrigen Bedingungen gerecht wird, ist schwer. Ich muss mit den Begebenheiten eben zurechtkommen», sagte Fil-Sportdirektor Matthias Böhmer der Deutschen Presse-Agentur. Da könne man beim Rodeln am Set-up auch deutlich mehr machen als beispielsweise beim Bob oder Skeleton. Aber er weiß auch: «Wir müssen das Reglement so hinbekommen, dass das Beste für den Sport rauskommt.»
Dabei müsse er die Balance finden, um nicht ein politisches Problem daraus werden zu lassen. Immerhin muss er die Interessen von 52 Ländern berücksichtigen. «Wenn wir das Reglement grundsätzlich ändern, dann geht es durch alle Instanzen: erst zur Exekutive, dann zur Abstimmung in den Kongress», sagte der 33 Jahre alte Böhmer, der einst Rennrodler und dann Bobpilot war.
So tut er sich auch schwer mit «Ad-Hoc-Entscheidungen, die weitreichende Konsequenzen haben könnten. Wir müssen das Gesamtkonzept überdenken, theoretisch sind wir flexibel», sagte er. Der Weltverband scheut sich auch nicht vor neuen Ideen. Beim Weltcup-Finale Anfang März im lettischen Sigulda finden erstmals die Einer-Wettkämpfe mit den Vorläufen am Samstag und dann die Finals komprimiert am Sonntag statt. Die Teamstaffel ist das abschließende Highlight.
Auch der Rennkalender und die Reisewege werden mittlerweile mit der Standortfrage und den erwartbaren Temperaturen abgestimmt. «Aber was ist klimatechnisch heute noch normal?», fragte Böhmer. «Wenn wir Regionen mit 15 bis 20 Grad haben, müssen wir beim Standort schauen, ob es Sinn macht.» Immerhin wurde der Saisonstart schon in den Dezember verlegt, früher ging es im November los.
Banger Blick auf das Wetter
Und an den Bahnen wird bereits alles möglich gemacht. «Ob bei den Kühlanlagen, dem Einsatz von Wetterschutzsegeln, das Streichen von Vorläufern und die Verkürzung der Renn-Intervalle für die einzelnen Läufer, wir machen alles, was menschenmöglich ist», sagte Böhmer. Das ging bei den Frauen, den Doppelsitzern und der Teamstaffel zuletzt noch gut, bei den Männern wurde das Rennen bei dem stärker werdenden Regen zur Lotterie.
Vor dem Weltcup an diesem Wochenende in Oberhof geht der bange Blick daher auf die Wettervorhersage. Die hohen Temperaturen seien nicht das größte Problem, sagte Heiko Krause, der technische Leiter des Oberhofer Wintersportzentrums. Das Regenwasser aus der Bahn zu bekommen, sei viel schwieriger. Wenn es nur leicht regnet, sei dies aber beherrschbar, sagte Krause.
Doch das generelle Problem ist damit nicht gelöst, zumal es nicht nur die Bahn in Oberhof betrifft. Ähnlich erging es den Athleten bereits beim Weltcup in Altenberg vor zwei Wochen. Unabhängig von den Vorgaben der übertragenden TV-Sender oder des kaum Spielraum gebenden Zeitplans mit immer mehr Disziplinen sind Lösungen dringend nötig.
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