22. November 2024

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«Irgendwie absurd»: ARD-Skepsis wegen künstlicher Atmosphäre

Durch Corona ist bei Olympia in Tokio alles anders. Die TV-Sender haben nach der Verlegung der Olympischen Spiele mehrfach umgeplant und arbeiten nun mit neuen Konzepten. Der ZDF-Sportchef sieht dabei auch ein «gewisses Risiko».

Wenn Millionen von Sportfans in den nächsten Tagen im Fernsehen die Olympischen Spiele verfolgen, werden sie von den noch immer offenen Fragen und den vielen Problemen der TV-Sender wohl nicht viel bemerken.

Auch beim Sport ist Fernsehen immer eine Inszenierung – und in die musste dieses Mal wegen Corona noch viel mehr Aufwand als gewöhnlich gesteckt werden.

Die Vorbereitungen auf das größte Sportevent der Welt und die umfassende TV-Berichterstattung darüber dauern mehrere Jahre. Normalerweise zumindest, denn dieses Mal mussten die Fernsehanstalten «alle drei, vier Wochen einen neuen Plan entwerfen», wie es ARD-Teamchef Gerd Gottlob in einem dpa-Gespräch ausdrückte.

«Nochmal ein komplett neues Konstrukt»

Nach der Verschiebung im Vorjahr wegen der Corona-Pandemie haben die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF «nochmal ein komplett neues Konstrukt entworfen», sagte Gottlob. «Und dann kam hier wieder eine Bestimmung und da nochmal eine neue Regel.» Auch kurz vor dem Beginn der Spiele «sind wir jetzt noch dabei, unsere Pläne anzupassen und umzubauen».

Die Abwesenheit von Zuschauern bei den Wettkämpfen stellt für die Olympia-Sender eines der vielen Rätsel dar. «Wir wissen nur, dass es ein komplett anderes Bild wird im Vergleich zu allem, was wir bislang gesehen haben von Olympischen Sommerspielen», sagte ARD-Teamchef Gottlob. «Spätestens bei der Eröffnungsfeier: Einmarsch der Nationen – und niemand winkt zurück. Das ist ja irgendwie absurd.»

Und dann ist da noch die Sache mit der Zuschauer-Atmosphäre vom Band. Eine Geräuschkulisse von früheren Olympischen Spielen soll eingespielt werden. «Dadurch sollen die Sportler unterstützt werden und keine sterile Stimmung aufkommen», sagte ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann und fügte skeptisch an: «Wir müssen abwarten, ob das Kalkül aufgeht.» Begeistert klingt das nicht.

ZDF produziert in Mainz

Die TV-Sender sind vom Olympic Broadcasting Service (OBS) über die Einspielungen informiert worden. Das solle «auf geringem Niveau» geschehen, erklärte der ZDF-Sportchef. OBS liefert seit 2001 für das Internationale Olympische Komitee das weltweite Fernsehbild, das alle Sender ausstrahlen. Von den heimischen Sendern kommen dann die Kommentierungen zu den bewegten Bildern und die Interviews vor Ort.

Produziert wird das Ganze dieses Mal nicht vor Ort, sondern in Mainz. «Das Herz von Olympia schlägt auf dem Lerchenberg. Dort ist die zentrale Regie», sagte Fuhrmann. Der Teamchef des ZDF gab zu: «Wir gehen ein gewisses Risiko ein, so ist noch nie produziert worden.»

Durch Corona und die Auswirkungen der Pandemie wird ein Großteil der TV-Berichterstattung gezwungenermaßen in einem großen Homeoffice in Mainz erstellt, wo ARD und ZDF sich sogar das Studio teilen. Rund 180 Mitarbeiter für Produktion und Redaktion arbeiten in Japan und «ungefähr das Doppelte» auf dem Lerchenberg.

«Die meisten kommentieren aus logistischen Gründen aus Mainz», erklärte Fuhrmann: «Nur wenige sind hier in Tokio, zum Beispiel bei der Leichtathletik.» Auch bei der ARD kommt der Kommentar überwiegend aus dem ZDF-Studio. «Was es nicht einfacher macht», wie Teamchef Gottlob sagte. «Das ist natürlich nicht unsere Lieblingsversion, aber es ist schlicht und einfach der Pandemie geschuldet.»

«Corona hat sich extrem ausgewirkt»

Ähnlich sieht es bei Eurosport aus. Beim Spartensender ist das allerdings auch außerhalb der Spiele so, dass die Kommentare aus dem Studio kommen. Ansonsten sind die Probleme die gleichen wie bei ARD und ZDF, die vom Eurosport-Mutterkonzern Discovery Sub-Lizenzen erworben haben.

«Wir haben Olympia jetzt viermal geplant», sagte Eurosport-Sportchef Gernot Bauer. «Corona hat sich extrem ausgewirkt.» In diesem Fall gab es aber zumindest einen positiven Nebeneffekt. In Unterföhring bei München wurde ein Sendezentrum aufgebaut, dass «ohne Corona so nicht existieren würde».

Von Michael Rossmann und Claas Hennig, dpa