23. November 2024

Sport Express

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IOC lässt russische Sportler für Olympia zu

Seit Russlands Angriff auf die Ukraine tobt die Debatte über den Umgang mit russischen Sportlern und ihre Zulassung für die Sommerspiele. Jetzt hat das IOC seine Entscheidung getroffen.

231 Tage vor der Olympia-Eröffnungsfeier hat Thomas Bachs IOC das Spiel auf Zeit beendet und Russlands Sportlern den Weg nach Paris geebnet.

Die Spitze des Internationalen Olympischen Komitees erteilte Einzelsportlern aus Russland und Belarus unter bestimmten Auflagen die Starterlaubnis für die Sommerspiele 2024, sofern sie die Qualifikationsbedingungen erfüllen. Damit folgte das IOC um Präsident Bach einer Aufforderung der internationalen Sommersportverbände und der Nationalen Olympischen Komitees, endlich eine Entscheidung in dieser seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine umstrittenen Frage zu treffen.

Bedingung ist wie bereits für die Rückkehr in internationale Wettbewerbe, dass Russen und Belarussen nur unter neutraler Flagge in Paris dabei sein dürfen. Mannschaften sind nicht zugelassen. Damit darf für die Starter aus Russland und Belarus auch ihre Nationalhymne nicht bei Olympia in Paris gespielt werden, nationale Symbole und Fahnen sind für sie ebenso untersagt.

Außerdem dürfen diese Athleten keine Verbindung zur Armee und den Sicherheitsorganen haben und nicht aktiv ihre Unterstützung für den Krieg in der Ukraine gezeigt haben. Unklar blieb, wie diese Zugangsbeschränkung flächendeckend geprüft und abgesichert werden soll. Zudem müssen die Anti-Doping-Richtlinien erfüllt sein – auch das eine Vorgabe, deren Umsetzung dem Weltsport bei Russlands langem Doping-Sündenregister noch Debatten bescheren dürfte.

Acht Russen und drei Belarussen qualifiziert

Als zusätzliche Auflage fordert das IOC von allen Athleten ein schriftliches Bekenntnis zur Olympischen Charta und damit auch zur «Friedensmission der olympischen Bewegung». Bislang wären nach IOC-Angaben acht Russen und drei Belarussen für Olympia in Paris qualifiziert.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba kritisierte die Entscheidung scharf. «Das Internationale Olympische Komitee hat Russland grünes Licht gegeben, Olympia als Waffe zu benutzen», schrieb Kuleba beim Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter. 

Wadym Hutzajt, Chef des ukrainischen Olympischen Komitees, hatte kurz vor dem IOC-Beschluss noch die Forderung nach einem Komplett-Ausschluss russischer Sportler bekräftigt. Unter den rund 4600 schon teilnahmeberechtigten Athletinnen und Athleten seien mehr als 60 Ukrainer, hieß es. 

In Russland wurde der IOC-Entscheid dagegen erwartungsgemäß begrüßt. «Ich bin sehr froh, dass das IOC eine menschliche Entscheidung getroffen hat», sagte die frühere Eiskunstlauf-Startrainerin Tatjana Tarassowa dem Portal «Sport Express». «Das ist ein großer Sieg», fügte Tarassowa hinzu.

Russlands Sportminister: Auflagen diskriminierend

Russlands Sportminister Oleg Matyzin bezeichnete die Auflagen als diskriminierend. Eine Olympia-Teilnahme sei für Sportler selbstverständlich ein Traum, sagte Matyzin der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. «Aber die Bedingungen, die uns geboten werden, laufen grundlegenden olympischen Prinzipien zuwider.»

Nach Russlands Angriff auf die Ukraine waren Russen und Belarussen zunächst von internationalen Sportwettbewerben ausgeschlossen worden. Belarus unterstützt Russland in dem Konflikt. Bereits im Frühjahr hatte das IOC beiden Ländern aber wieder die Tür zu den großen Sportbühnen geöffnet und den Rahmen für die Teilnahme an Wettkämpfen festgelegt.

Kritik aus Deutschland

So sollte es den Sportlern auch ermöglicht werden, die Qualifikationskriterien für die Sommerspiele zu erfüllen. Eine Reihe von Weltverbänden folgte in den vergangenen Monaten den Vorgaben des IOC und ließ Russen und Belarussen wieder zu. Die Gruppe der internationalen Verbände um die Leichtathletik, die Sportler aus beiden Ländern weiter aussperren, schrumpfte in den vergangenen Monaten stetig.

Auch die Mehrheit der internationalen Athletengemeinde sei für eine Starterlaubnis für russische und belarussische Sportler, versicherte das IOC immer wieder. Die Vereinigung Athleten Deutschland kritisierte jedoch die Linie des Dachverbandes: «Die Instrumentalisierung des Sports und der Athletinnen und Athleten für Putins Kriegspropaganda wird damit nicht unterbunden. Das Instrument scheint nicht geeignet und mit erheblichen praktischen Umsetzungsproblemen behaftet zu sein.»

Die Entscheidung über die Olympia-Teilnahme hatte sich der Dachverband bis zuletzt offen gelassen. Im September hob auch das Internationale Paralympische Komitee seinen Komplett-Bann gegen Russland auf und erlaubte russischen Behindertensportlern unter neutraler Flagge den Start bei den Paralympics in Paris. Dies wurde bereits als Vorbote für einen entsprechenden Entschluss des IOC gewertet.

Auch der Deutsche Olympische Sportbund hatte zuletzt seinen Kurs unter Verweis auf die Mehrheitsmeinung im internationalen Sport geändert und für einen Start von Russen und Belarussen in Paris plädiert. «Wir begrüßen die Aufrechterhaltung der strikten Sportsanktionen gegen Russland und Belarus sowie die nun herrschende Klarheit», sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert in einer ersten Reaktion am Freitag. Mit Blick auf die vom IOC benannten Bedingungen fügte er hinzu: «Jetzt gilt es, diese Auflagen weiterhin konsequent umzusetzen.»

Zwist zwischen IOC und Russland

Auch der jüngste Zwist zwischen dem IOC und Russland verhinderte die Olympia-Zulassung nicht. Wegen der Aufnahme regionaler Sportverbände in besetzten ukrainischen Gebieten in das Nationale Olympische Komitee Russlands (ROC) hatte die IOC-Exekutive das ROC suspendiert. Die Entscheidung vom 5. Oktober, die regionalen Sportverbände Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischja aufzunehmen, verletze die Olympische Charta, weil sie die territoriale Integrität des ukrainischen olympischen Komitees missachte, hieß es zur Begründung.

Das IOC verwies im Zuge seiner Entscheidung darauf, dass neben den Sommersportverbänden, vielen Athleten und Olympia-Komitees auch viele Regierungen seinen Kurs unterstützen würden. Zudem habe die Welt-Anti-Doping-Agentur festgestellt, dass Dopingkontrollen in Russland trotz des Krieges gesichert seien. Mehr als 10.500 Tests seien in diesem Jahr bei russischen Sportlern vorgenommen worden.

Der Vorstandschef der Nationalen Anti-Doping-Agentur, Lars Mortsiefer, hatte dagegen zuletzt anhaltende Kontrolllücken befürchtet und von «großen Bauchschmerzen» bei einer Olympia-Starterlaubnis für russische Sportler gesprochen.

Von Christian Hollmann und Andreas Schirmer, dpa