Es gibt nicht viel, was Frank Baumann noch nicht gemacht hat bei Werder Bremen. Der frühere Nationalspieler kam 1999 als junges Abwehrtalent zu dem Club und wurde später: Kapitän der Meistermannschaft von 2004, Ehrenspielführer, Manager-Assistent, Direktor für Profifußball und Scouting, Geschäftsführer.
Und selbst wenn sich der 48-Jährige in diesem Sommer aus dem operativen Geschäft zurückzieht, wird er dem Fußball-Bundesligisten in einer ungewöhnlichen Rolle erhalten bleiben: als Geldgeber und Teil eines regionalen Investoren-Bündnisses.
Acht Unternehmer und Privatpersonen aus dem engen Umfeld des Clubs haben sich zusammengeschlossen, um für 38 Millionen Euro rund 18 Prozent der Anteile an dem Profifußball-Unternehmen Werder Bremen GmbH & Co KGaA zu erwerben. Mit dem Geld will der viermalige deutsche Meister vor allem junge Spieler mit hohem Wiederverkaufswert verpflichten und dazu die Verluste ausgleichen, die er durch die Coronakrise und den Bundesliga-Abstieg 2021 angehäuft hat.
Experte: «Ein Modell, das von Fans eher akzeptiert wird»
Das ist aber nur die Bremer Perspektive auf dieses Modell. Eine Woche nach dem Scheitern des geplanten Investoren-Deals der Deutschen Fußball Liga (DFL) stellt sich auch die Frage, ob der Werder-Weg der Geldbeschaffung nicht auch etwas für andere Clubs in der ersten und zweiten Liga wäre.
Auch der Sportbusiness-Experte Stefan Ludwig von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte sagte der Deutschen Presse-Agentur: Strategische Partner mit regionalem Bezug und eingeschränktem Mitspracherecht – das sei «ein Modell, das von Fans eher akzeptiert wird. Es ist glaubwürdiger und nachvollziehbarer, wenn Unternehmer und Unternehmen aus der Region sich beteiligen und Kapital zur Verfügung stellen.»
Das Dilemma einiger Vereine ist: Sie benötigen dringend Kapital, weil sie neben den hohen Gehaltskosten im Profifußball einen zunehmenden Wettbewerbs- und Modernisierungsdruck spüren. Gleichzeitig ist «Investor» so etwas wie das Unwort des deutschen Fußballs.
Die 50+1-Regel verhindert, dass ein Geldgeber die Stimmenmehrheit und damit das letzte Wort in einem Club bekommen kann. Und vielen Fußball-Fans ist genau diese Begrenzung externer Einflüsse heilig. Welche Macht sie haben, zeigte sich zuletzt: Ihr wochenlanger Protest verhinderte, dass ein Private-Equity-Unternehmen beim Dachverband DFL einstieg.
Ein Vorzug des Bremer Investoren-Modells besteht darin, dass es gegen keine Auflage verstößt und weniger Bedenken weckt. Das Bündnis erhält keinen Einfluss auf das Tagesgeschäft, sondern neben seinem Minderheitsanteil nur zwei von neun Aufsichtsratsplätzen der GmbH & Co KGaA. Und da Mitglieder wie Baumann oder der Bauunternehmer Kurt Zech eine langjährige Bindung an den Club haben, gab es bei den vergangenen Werder-Heimspielen auch kaum vernehmbaren Protest.
Werders Weg: Lokale Partner und rote Linien
Harm Ohlmeyer ist Finanzvorstand von Adidas, Aufsichtsrat bei Werder – und Sprecher der Investoren-Gruppe. «Wir haben bei Werder lange überlegt: Was sind die Beispiele, denen wir nicht folgen wollen?», sagte der 55-Jährige der dpa. «Wir wollten kein Mäzenatentum. Wir wollten niemanden, der tief in den Verein eingreifen kann und operativ tätig wird. Wir haben klar ausgeschlossen, aus welchen Ländern ein Investor kommen darf.»
Auch Werder prüfte in einem langwierigen Prozess noch andere Möglichkeiten. «Gibt es einen US-Investor? Oder gibt es Möglichkeiten, an die Börse zu gehen?», sagte Ohlmeyer. Das Investoren-Interesse an europäischen Fußballs-Clubs ist groß, aber auch stark renditeorientiert. Deshalb stand bei Werder am Ende das Ziel, «lokale Partner zu finden, die bereit sind, rote Linien einzuhalten und auf eine Rendite zu verzichten. Wenn das gegeben ist, dann sehe ich schon Möglichkeiten für andere Vereine, dieses Modell zu replizieren.»
Es gibt im bezahlten deutschen Fußball bereits zwei vergleichbare Fälle: Die Freunde der Eintracht Frankfurt AG, zu denen mehrere Frankfurter Banken gehören. Und das Bündnis Ostwestfalen, in dem ein Kreis von Unternehmen den Drittligisten Arminia Bielefeld unterstützt. An anderen Clubs wie Bayern München (Adidas, Allianz, Audi), dem VfB Stuttgart (Porsche, Mercedes, Jako) oder dem Hamburger SV (Klaus-Michael Kühne, HanseMerkur) sind einzelne Unternehmen oder Privatpersonen direkt beteiligt.
Nicht nur über 50+1 reden
Im Vergleich zum Werder-Modell investiert die Porsche AG beim VfB Stuttgart mehr Geld (41,5 Millionen Euro) für weniger Anteile (10,4 Prozent). Medienberichten zufolge liefert sich der neue Investor schon nach wenigen Wochen einen Machtkampf mit der Vereinsseite, wer in Zukunft an der Spitze des Aufsichtsrats steht.
Genau so etwas will man in Bremen verhindern. Dennoch zeigen beide Beispiele für Ohlmeyer: «Es gibt im deutschen Fußball auch bis zu den erlaubten 49,9 Prozent viele Möglichkeiten, Kapital zu bekommen und einen Verein weiterzuentwickeln.»
Kurz nach der Präsentation des Werder-Modells flog der Adidas-Manager in die USA zum Super Bowl, dem Finale der American-Football-Liga NFL. Sein Eindruck ist, dass die 50+1-Regel im deutschen Fußball für «eine attraktive Kultur steht. Für ein Alleinstellungsmerkmal der Bundesliga. Aber ich finde, wir reden zu viel über das, was nicht geht», sagte Ohlmeyer. «Man sollte auch über die Professionalität im Fußball reden. Über eine gute Governance-Struktur. Dass man zulässt, dass sich erfolgreiche Wirtschaftsvertreter oder Unternehmer in den Vereinen einbringen.» Das könne man von anderen Ligen lernen. «Wenn ich mir die Professionalität in der NFL anschaue, ist das ein anderes Level, als wir es im deutschen Fußball haben.»
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