Der Werbeslogan des idyllisch gelegenen Teamhotels Riessersee passte so gar nicht zu den Chancen der deutschen Skispringer bei der Vierschanzentournee.
«Beste Aussichten» stand auf einem Plakat im Seehaus mit Alpenblick, wo die DSV-Adler pragmatisch und nach außen hin erstaunlich gelassen vom vorzeitigen Ende der Tournee-Titelträume sprachen. «Davon lassen wir uns nicht aus der Ruhe bringen», sagte Topspringer Karl Geiger am zweiten Pausentag des Schanzen-Spektakels zu seiner enttäuschenden Performance beim Neujahrsspringen, die das Ende aller Hoffnungen auf den goldenen Adler besiegelte.
Bundestrainer zieht Zwischenbilanz
Die Top-Konkurrenz um Tournee-Dominator Halvor Egner Granerud springt in einer eigenen Liga. Das erkennen die DSV-Adler an. Bundestrainer Stefan Horngacher sprach sogar «von einer positiven Bilanz».
Angesichts der Vorleistungen im Weltcup ist diese Sichtweise nachvollziehbar. Geiger liegt im Vierschanzentournee-Ranking auf Rang fünf, Andreas Wellinger ist Sechster. Im Weltcup sind beide schlechter platziert. Dass das Warten auf den ersten Sieg bei dem prestigeträchtigen Event rund um den Jahreswechsel auch 21 Jahre nach Sven Hannawalds Triumph weitergeht, kann das deutsche Team aber natürlich nicht zufriedenstellen. «Wir sind definitiv zu weit weg», sagte Horngacher.
Der Abstand auf den Spitzenreiter ist zur Halbzeit so groß wie seit neun Jahren nicht mehr. Granerud liegt umgerechnet über 30 Meter vor den Deutschen. Selbst das Podest ist schon etwa zehn Meter entfernt.
«Mit dem Gesamtsieg wird’s ziemlich sicher nix», sagte Geiger und ergänzte mit Blick auf die nächsten Monate: «Es kommen ja noch ein paar Stationen und auch noch eine WM. Man darf nicht immer alle Nerven über Bord schmeißen.» Bei der Tournee ist nun das Ziel, «dass mal ein Sprung rausrutscht, dass es richtig knallt. Und dass man denen vielleicht auch mal eins vor den Latz geben kann und man sagt: Ihr müsst schon noch mit uns rechnen.»
«Denen», das sind Granerud, der im Weltcup führende Pole Dawid Kubacki und der Slowene Anze Lanisek. Die drei Springer schaffen das, was Geiger in den vergangenen Jahren regelmäßig gelang: Sie prägen die Saison und beeindrucken die Konkurrenz. «Das Selbstvertrauen und die Leichtigkeit sind das, was die da vorne haben, was uns noch fehlt», sagte Wellinger.
Dominator aus Norwegen beeindruckt
Vor allem Granerud beeindruckt die Springer. Der 26-Jährige ist ein Ausnahmekönner auf der Schanze, wie Landsmann Erling Haaland auf dem Fußballplatz. In dessen Yoga-Jubelpose im Schneidersitz feierte Granerud seinen Sieg auf der Großen Olympiaschanze zum Jahresstart.
Bereits vor zwei Jahren war er als Favorit auf den Titel angereist, konnte seine Leistung bei der Tournee aber nicht abrufen. Anders als damals wirkt Granerud nun entspannt und gelöst. Der Athlet, der zum Grübeln und zu übertriebener Analyse neigt, scheint mit dem Druck nun besser umgehen zu können. Sein Markenzeichen: Granerud driftet nach dem Absprung nach rechts, landet oft nur wenige Meter von der Bande entfernt. An weiten Flügen hindert ihn das nicht. «Er schafft es trotz Skifehler, im Flug locker zu bleiben», beschreibt Geiger den Stil Graneruds. «Er hat genau das Gefühl im Flug, wo er hin will.»
Wo sie sportlich hin wollen, wissen die Deutschen auch – nämlich mindestens zurück unter die besten drei. Vom Riessersee ging es am Montag nach Innsbruck. Dort standen Hallentraining und Physio auf dem Programm. Auf der Bergiselschanze wollen Geiger und Wellinger ihre Podestchancen verbessern. Und vielleicht können sie die Überflieger um Granerud ja sogar ärgern.
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