24. November 2024

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«Hitzige Diskussionen»: Neue Drohkulisse im WM-Streit

Der Streit um eine Verkürzung des WM-Rhythmus auf zwei Jahre eskaliert weiter. Für mehr als ein Dutzend Fußball-Verbände aus Europa kommt inzwischen ein FIFA-Austritt infrage.

Mit einer weiteren Drohgebärde aus Europa spitzt sich die Debatte um die umstrittenen FIFA-Pläne für eine WM alle zwei Jahre zu.

Weltverbands-Chef Gianni Infantino hofft dessen ungeachtet auf eine «gemeinsame Lösung und einen Konsens» spätestens bis zu einem außerordentlichen Gipfel-Treffen der FIFA-Mitgliedsverbände am 20. Dezember und deutete bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung des FIFA-Councils auch mögliche Kompromisslösungen an.

«Wie diese gemeinsame Position letztlich aussieht, steht in den Sternen. Ist eine WM alle zwei Jahre die eierlegende Wollmilchsau? Ich weiß es nicht, vielleicht gibt es einen Weg, den wir bislang nicht erkannt haben. Wir sind immer offen für Vorschläge», sagte Infantino – offenkundig im Bemühen, die «hitzigen Diskussionen» zu versachlichen und die heftigen Reaktionen aus Europa zu kontern.

Vehementer Widerstand

Mehr als ein Dutzend Verbände erwägt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur, die Mitgliedschaft im Weltverband als letzte Option zu beenden und aus der FIFA auszutreten. Zuerst hatte die Nachrichtenagentur AP darüber berichtet. Infantino hatte am Dienstag bei zahlreichen europäischen Verbandschefs für die Reform des internationalen Spielkalenders der Männer ab 2024 geworben – und war dabei auf vehementen Widerstand gestoßen. «Der Austausch wird mit harten Bandagen geführt», räumte der 51-Jährige ein, berichtete aber von «positiven» Gesprächen im Council. Er vertraue darauf, «dass wir am 20. Dezember eine gemeinsame Lösung vorstellen können».

«Insgesamt haben die europäischen Verbände sehr deutlich gemacht, dass sie geschlossen gegen die FIFA-Pläne stehen. Der FIFA wurden zahlreiche Argumente gegen die Pläne vorgelegt», teilte der Deutsche Fußball-Bund auf dpa-Anfrage mit. «Unser Eindruck war, dass der FIFA-Präsident sehr nachdenklich wirkte und verstanden hat, warum es keinen Sinn macht, so vorzugehen.» Die FIFA und ihr Präsident hatten angekündigt, bis zum Jahresende Klarheit dafür haben zu wollen.

Ob am 20. Dezember weitere Beratungen anstehen oder es zu einer Abstimmung kommt, ließ Infantino auch auf Nachfrage offen. Bei einem Votum wären die Verbände aus Europa und Südamerika alleine weit von einer Mehrheit entfernt. Nach «Bild»-Informationen lehnte das Council den Plan einer Abstimmung ab. Demnach solle nur ein Vorschlag für den nächsten FIFA-Kongress am 31. März 2022 in Doha erarbeitet werden.

Eine Abstimmung über die Pläne noch in diesem Jahr solle unbedingt verhindert werden, erklärte der DFB, dessen Interimspräsident Peter Peters im FIFA-Council sitzt. In dem erbittert geführten Streit setzt der deutsche Verband auf «eine gemeinsame von FIFA und UEFA erarbeitete einvernehmliche Lösung» beim internationalen Spielkalender. Der DFB antwortete auf die Frage, ob der Austritt aus dem Weltverband FIFA eine Option sei: «Der DFB ist in enger Abstimmung mit der UEFA und den anderen Verbänden.» Als möglicher Kompromiss könnte noch eine weltweite Nations League, nach dem Vorbild der europäischen Version, als zusätzliche Veranstaltung anstelle einer WM alle zwei Jahre wieder auf die Agenda rücken.

Infantino appelliert

«Wir müssen den globalen Fußball verbessern und uns überlegen, wie die Turniere für die Fans bedeutungsvoller werden können», sagte Infantino bei der Pressekonferenz. Bei dem Treffen mit europäischen Vertretern tags zuvor habe Infantino die Idee für eine WM alle zwei Jahre auch damit begründet, dass die Aufmerksamkeit junger Menschen durch andere Aktivitäten vom Fußball abgelenkt werde, hieß es bei AP.

Der Schweizer habe appelliert, gemeinsam Wege zur weiteren Entwicklung des Fußballs zu finden. Angesichts des großen Widerstandes gegen die Pläne vor allem aus Europa habe Infantino gemahnt, alle Meinungen zu respektieren. «Es geht nicht um die FIFA, nicht um die Weltmeisterschaft, es geht um die Zukunft unserer Kinder. Der Fußball läuft Gefahr, seine Anziehungskraft zu verlieren», sagte er. Zudem gebe es auch Konföderationen, die sich sehr deutlich für eine WM alle zwei Jahre ausgesprochen hätten.

Dieser Zwei-Jahres-Rhythmus wird derzeit kontrovers diskutiert. Aleksander Ceferin, Präsident der Europäischen Fußball-Union, drohte bereits mit Boykott aus Europa. Auch der Kontinentalverband Südamerikas lehnt dies kategorisch ab. Zuletzt hatten die nordischen Verbände von Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Island und Färöer in einem gemeinsamen Statement ihre Position verdeutlicht. «Im schlimmsten Fall und als letzte Option kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verbände aus Protest und mangelndem Verlangen nach dem neuen Aufbau aus der FIFA austreten», sagte der dänische Verbandschef Jesper Møller, der auch Mitglied der UEFA-Exekutive ist.

Austritte aus der FIFA?

Ein möglicher Austritt von Mitgliedsverbänden ist in Artikel 18 der FIFA-Statuten geregelt. Demnach kann dieser Schritt zum Ende eines Kalenderjahres erfolgen, eine entsprechende Erklärung muss spätestens sechs Monate vor Jahresende abgegeben werden. Dies könnte also nicht mehr 2021 erfolgen, ebenso bleibt abzuwarten, ob Revoluzzer-Verbände letztlich wirklich auf eine FIFA-Mitgliedschaft verzichten. In der Pandemie hatte der Weltverband 2020 alleine eine Million US-Dollar als direkte Unterstützung an jede der 211 Föderationen ausgeschüttet. Teams aus den jeweiligen Ländern könnten zudem nicht mehr an FIFA-Wettbewerben teilnehmen, wären als UEFA-Mitglied jedoch weiter noch bei Turnieren des europäischen Kontinentalverbands dabei.

Arsène Wenger, FIFA-Chef für globale Fußballentwicklung, hatte zuvor noch einmal für die von ihm vorgeschlagenen Reformen geworben. Dabei soll auch die Anzahl der Fenster für Länderspiele insgesamt verringert werden. Dennoch gibt es auch abseits der Nationalverbände weiter massive Kritik aus Europa an den Plänen.

Eine Technische Beratungsgruppe der FIFA um Direktor Wenger hatte die WM-Ausrichtung alle zwei Jahre vorgeschlagen, auch der Rhythmus der Kontinentalturniere wie der EM würde dabei verkürzt. Demzufolge sollen die Änderungen nach der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko mit erstmals 48 Nationen endgültig greifen. 2027 würden dann die Turniere der Konföderationen ausgerichtet werden. Im bislang geplanten EM-Jahr 2028 stünde dann schon wieder die nächste WM an.

Von Florian Lütticke, Robert Semmler, Ulrike John und Wolfgang Müller, dpa