24. November 2024

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Hertha BSC schon wieder in der Abstiegsregion

Nicht gespielt und doch im Vordergrund: Matheus Cunha erhält Anschauungsunterricht von der kämpferischen Hertha, die gleich zum Saisonstart wieder in der Abstiegsregion verharrt. Ob der Brasilianer den Berlinern noch einmal helfen wird, ist offen.

Die angepeilte Saison der Stabilität ist bei Hertha BSC schon früh wieder in akuter Gefahr. «Das Ergebnis ist nicht okay. Die Tabelle sieht nicht gut aus», sagte Trainer Pal Dardai nach der 1:2-Heimniederlage gegen den VfL Wolfsburg.

Als einziger Fußball-Bundesligist sind die Berliner nach zwei Spieltagen noch ohne Punkte – und stehen nun vor der schweren Auswärtshürde bei Meister Bayern München am kommenden Samstag (18.30 Uhr/Sky). Zumindest das beunruhigt den 45-jährige Dardai aber öffentlich recht wenig: «Wenn alle denken, da holst du gar nichts, umso besser.»

Denn trotz später Gegentore durch Ridle Baku (73. Minute) und Lukas Nmecha (88.) sah der Coach nach dem schlechtesten Saisonstart seit der Saison 1990/1991 Fortschritte zur 1:3-Auftaktniederlage beim 1. FC Köln. «Heute hast Du gesehen, dass der Kampfmodus da war, keiner ging spazieren», sagte Dardai und nahm dabei einen Profi in den Fokus, der gar nicht auf dem Platz gestanden hatte: Matheus Cunha.

Cunha als Sündenbock

Den 22 Jahre alte Olympiasieger von Tokio hat Dardai als einen der Hauptschuldigen für die Niederlage trotz eigener Führung in Köln ausgemacht. Aber auch gegen Wolfsburg reichte das zwischenzeitliche 1:0 durch Dodi Lukebakio per Foulelfmeter (60.) nicht zum Sieg. In Köln sollte der Brasilianer Cunha Gegenspieler Ellyes Skhiri bewachen, was er nur eine halbe Stunde machte, ehe er eigene Wege ging oder wie Dardai es ausdrückte, «spazierte».

Einer Standpauke zu Wochenbeginn folgte die Nichtberücksichtigung für das Spiel gegen Wolfsburg inklusive Anschauungsunterricht von seinen Mannschaftskameraden. «Heute hat er von oben eine Mannschaft gesehen, in der jeder gekämpft hat», sagte Dardai und kündigte eine harte Hand an: «Was letztes Jahr war, akzeptiere ich nicht mehr bei keinem, egal, wie er heißt. Bei meiner Mannschaft spaziert kein Mensch mehr. Wenn Matheus wieder bereit ist, systematisch für die Mannschaft zu arbeiten, dann kann er wieder spielen. Wenn nicht, dann nicht.»

Ob der junge Vater noch einmal für de Hauptstadtclub auflaufen wird, bleibt offen. «Dass es Gespräche mit anderen Vereinen gibt, ist klar. Nicht nur mit Atletico Madrid», sagte Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic. Der für etwa 18 Millionen Euro von RB Leipzig im Januar 2020 geholte Cunha, wohl der kreativste Spieler im Hertha-Kader, soll zwischen 25 und 30 Millionen bringen und Berlin Transfer-Optionen bringen. «Wir werden sicher noch was machen», sagte Bobic bei Bild TV. Im Offensivbereich und auf dem Flügel wird gesucht. «Wir werden auch noch jemanden abgeben. Es muss ein Zug-um-Zug-Geschäft sein, aber die Zeit wird eng», sagte Bobic ohne Namen zu nennen.

Der Verzicht auf Kreativspieler Cunha wirkte sich auch gegen Wolfsburg aus. So konnte Dardai gegen Ende Kapitän Dedryck Boyata und Mittelfeldspieler Suat Serdar nur durch die defensiven Jordan Torunarigha und Deyovaisio Zeefuik ersetzen. «Wir hätten sehr gerne offensiv gewechselt. Aber Dedryck hat signalisiert, dass es nicht mehr geht. In diesen Minuten ist die Absicht nicht, defensiv zu wechseln. Das macht keinen Sinn», sagte Dardai. Doch Stoßstürmer Krzysztof Piatek benötigt nach seinem Knöchelbruch vom 12. Mai beim Spiel auf Schalke noch Zeit – und Cunha saß auf der Tribüne.

«Man ist natürlich enttäuscht und nicht zufrieden. Wir haben einiges aufzuarbeiten», sagte Bobic nach dem schwachen Saison-Auftakt: «Es ist ein Start, den du mit dir schleppst, der es nicht einfach macht für die nächsten Wochen.» Man werde nun gemeinsam mit Trainer Dardai, der laut Bobic nach dem knapp vermiedenen Abstieg in der Vorsaison weiter der richtige Mann für die Aufgabe ist, daran arbeiten, «dass es wieder in die richtige Richtung geht», sagte der 49-Jährige.

Bobic für volle Zuschauer-Öffnung

Bobic glaubt an eine Öffnung der Stadien ohne Zuschauerbeschränkung trotz der Corona-Pandemie. «Wir werden dahinkommen, dass wir alles öffnen. Es ist nicht mehr aufzuhalten», sagte er in «Bild TV». Zum Heimspiel seines Vereins gegen den VfL Wolfsburg waren lediglich 18.241 Zuschauer ins Olympiastadion gekommen, 25.000 Personen waren zugelassen.

Der Manager sieht in der Limitierung der Zuschauerzahlen einen Grund für die Zurückhaltung der Fans: «Ich bin mir sicher, dass viel mehr Zuschauer gekommen wären, wenn alles frei zugänglich wäre und die Kapazitäten nicht beschränkt gewesen wären.» Vor allem für Geimpfte und Genesene sollte es keine Beschränkungen geben.

Bobic glaubt, dass sich die Deutsche Fußball Liga nach der Länderspielpause Anfang September für eine volle Öffnung der Stadien einsetzen werde. Er könne sich aber auch vorstellen, dass einzelne Vereine versuchen werden, eine Öffnung rechtlich durchzusetzen, und nimmt seinen Club dabei nicht aus: «Wir würden uns einer Klage anschließen.»

Von Thomas Flehmer, dpa