Wenn sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit Trainer Julian Nagelsmann am 14. Juli im eigenen Land zum Europameister krönen sollte, dürfte hierzulande der sportliche Erfolg alles überstrahlen. Jahrzehnte danach werden sich Millionen Menschen noch an diese EM zurückerinnern – das dürfte sicher sein. Doch was bleibt wirtschaftlich von diesem Turnier? Und was ist, wenn die Nagelsmann-Auswahl früh scheitert?
Unabhängig vom Erfolg der deutschen Mannschaft stellt sich die Fußball-EM als Millionengeschäft – ja sogar als Milliardengeschäft – heraus. Denn die Europäische Fußball-Union UEFA erwartet durch die Europameisterschaft Einnahmen in Höhe von gigantischen 2,4 Milliarden Euro, wie aus einem Budgetbericht hervorgeht. Im Gegenzug entrichten die UEFA beziehungsweise vielmehr ihre Tochtergesellschaften im Zusammenhang mit der EM im Sommer nach eigenen Angaben Steuern in einer geschätzten Höhe von 65 Millionen Euro in Deutschland – wobei die UEFA als gemeinnütziger Verein mit Sitz in der Schweiz demnach hierzulande keiner Steuer auf den mit der EM verbundenen Einnahmen, einschließlich der Einnahmen aus der Kommerzialisierung von Medien, Sponsoring und Lizenzrechten, unterliegt.
Umstritten ist in Deutschland eine mögliche Steuervergünstigung darüber hinaus im Zuge der EM. Eine Befreiung von der Einkommensteuer sei in bestimmten Fällen möglich, teilte das Bundesfinanzministerium mit. Inwieweit es eine Steuervergünstigung tatsächlich gibt, dazu machte das Bundesfinanzministerium keine konkreten Angaben – und führte als Begründung das Steuergeheimnis auf. «Steuervergünstigungen für internationale Sportveranstaltungen in Form von Regierungsgarantien werden allerdings seit Jahren ausgestellt und stellen regelmäßig auch internationale Praxis vieler Staaten dar. Sie werden ausschließlich im Rahmen der geltenden Rechtslage erteilt.»
Pro EM-Stadt Kosten im zweistelligen Millionenbereich
Aus ganz Europa werden Hunderttausende Fans für das Turnier nach Deutschland und insbesondere in die zehn Ausrichterstädte strömen. Die sogenannten Host Cities können damit aus ihrer Sicht trotz millionenschwerer Kosten Imagewerbung für sich machen. «Die Ausgaben zur UEFA Euro 2024 können als eine Investition in die Host City München gesehen werden, um sich weiterhin den Ruf als Sportstadt und kompetenter Ausrichter von Sportgroßveranstaltungen zu erhalten und möglichst auszubauen», hieß es aus München. Die bayerische Landeshauptstadt beziffert ihre Kosten auf rund 21 Millionen Euro. Auch andere Gastgeberstädte gaben Kosten in einem zweistelligen Millionenbereich an.
Nicht nur die Städte müssen für die Heim-EM Ausgaben tätigen. Die Bundesländer stemmen die Kosten für die Landespolizei. Wie hoch diese Kosten sind, ist jedoch offen. Es sei vom Einsatzgeschehen und Personalbedarf abhängig, hieß es von den Ländern.
Um die EM zu einer sicheren und großen Fußballparty zu machen, investiert auch der Bund mächtige Summen. Allein für ein Kulturprogramm zur UEFA Euro 2024 gibt die Bundesregierung nach eigenen Angaben mehr als 13 Millionen Euro aus.
Handelsverband: EM kann positiven Schub verleihen
Ein magisches Fußballfest als Sommermärchen 2.0 ist 18 Jahre nach der Weltmeisterschaft nicht nur die Hoffnung von Bund, Ländern und Ausrichterstädten. «Große Sportereignisse können immer wieder wichtige Umsatzimpulse für den Einzelhandel sein. Gerade wenn sie wie die Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land stattfinden, löst das ja auch größere Besucherströme aus. Das kann dem hiesigen Konsum positiven Schub verleihen», sagte ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland. Insbesondere der Lebensmittelhandel mache zu größeren Sportereignissen gute Geschäfte. «Denn viele decken sich für das gemeinsame Fußball-Schauen mit Getränken und Verpflegung ein.»
Doch was braucht es außer den vielen Fans noch für ein Sommermärchen 2.0? Aus Sicht mehrerer Branchenverbände Sommerwetter und eine erfolgreiche deutsche Nationalmannschaft. «Neben dem Wetter und damit hoffentlich optimalen Public-Viewing-Voraussetzungen wird es auch darauf ankommen, wie gut unsere Nationalelf abschneidet», sagte die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, Ingrid Hartges. Ähnlich sieht das auch der Deutsche Brauer-Bund. «Ein Sommermärchen wird es nur werden, wenn das Wetter mitspielt und unsere Nationalmannschaft erfolgreich ist», erklärte Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Verbands.
Dass sich große Fußball-Events positiv auf den Verkauf von Bier auswirken, hat sich laut Eichele in der Vergangenheit gezeigt. Während eines Turniers werde mehr Bier getrunken als sonst in Sommerwochen üblich. «Im WM-Jahr 2006 wurden vor und während der WM rund fünf Prozent mehr Bier verkauft, bei den Folgeveranstaltungen rund vier Prozent», erklärte Eichele.
Experten glauben nicht an großen Effekt
Und was bringt die Heim-EM der gesamtwirtschaftlichen Situation in Deutschland? Nicht sonderlich viel, sagen Experten voraus. Es sei kein «nennenswerter konjunktureller Impuls zu erwarten», betonte Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Zumindest einige Bereiche könnten aber vorübergehend profitieren, prophezeite Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin. «Vor allem Hotels und die Gastronomie werden durch eine zusätzliche Nachfrage profitieren, die jedoch gesamtwirtschaftlich nicht groß ins Gewicht fallen wird.»
Die Hoffnung auf einen Wirtschaftsboom ist laut den Experten also quasi nicht vorhanden. Ein Sommermärchen 2.0 ist trotzdem möglich – und würde im Falle eines Europameistertitels für Toni Kroos, Thomas Müller, Manuel Neuer und Co. sogar wahr werden.
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