Immer noch völlig euphorisiert hob Fahnenträger Patrick Hausding zu später Stunde in der beschwingten Springer-WG im olympischen Dorf die Bedeutung von Bronze hervor.
«Diese Medaille war mein Traum», sagte der Wassersprung-Rekordeuropameister. «Egal, wo ich gestartet bin bei Olympia, ich habe eine Medaille mit nach Hause genommen. Damit macht man sich in Springerkreisen, glaub ich, erstmal ein bisschen unsterblich.»
Nach dem «krankesten Wettkampf meines Lebens» lüftete der 32-Jährige im schon dunklen Tokio auch das Geheimnis, wen er gleich nach dem mit einem Urschrei gefeierten dritten Platz im Synchronspringen vom Drei-Meter-Brett zusammen mit Lars Rüdiger vom Beckenrand aus angerufen hatte: Seine Verlobten Marcela Maric, die er im Oktober heiraten wird. «Sie war völlig aufgelöst, hat geheult. Das war ein sehr emotionaler Moment», schilderte es Hausding, der zusammen mit Rüdiger noch auf den Besuch des Trainers wartete. Man werde sicher noch ein «bisschen Wasser» trinken, scherzte Rüdiger, der schon von dem «einen oder anderen kühlen Getränk» berichtete.
Völlig aufgekratzt waren die beiden Berliner den ganzen Tag nach ihrem Coup. Für die Fernseh-Wiederholung vom entscheidenden Sprung inklusive Bronze-Jubel unterbrach Hausding das Interview in den Katakomben im Tokyo Aquatics Centre. «Guck mal, was ich für einen Stiernacken hab’», sagte der Modellathlet nach dem Wahnsinns-Finale in einem wahren Wassersprung-Krimi zu Rüdiger und lachte.
«War eine verdammte Achterbahnfahrt!»
Euphorisch und gleichzeitig ungläubig freute sich Hausding bei seinen letzten Olympischen Spielen über die dritte Medaille im Zeichen der Ringe. Immer wieder schüttelte Hausding fassungslos den Kopf. «Ich hatte nicht alles erlebt», sagte der 32-Jährige mit Blick auf seine lange und erfolgreiche Karriere. «Das habe ich heute erst.»
Olympia-Debütant Rüdiger fiel es ebenfalls schwer, das gerade Erlebte im Wettkampf vom Drei-Meter-Brett zu verarbeiten. «Es war, glaube ich, der verrückteste Wettkampf unseres Lebens», sagte er. «Es war eine verdammte Achterbahnfahrt!»
Hausding und der sieben Jahre jüngere Rüdiger waren als Sechste in den finalen Durchgang gestartet. Da zeigte die Konkurrenz Nerven, patzte und ermöglichte dem deutschen Duo mit einem starken viereinhalbfachen Salto vorwärts den Platz auf dem Podest. Das deutsche Duo hatten zwischenzeitlich selbst kaum noch an den Erfolg geglaubt, doch Trainer Christoph Bohm zeigte mit Mimik und Gestik: Da geht noch was! «Ein Riesendank an ihn, wie er uns da gepusht hat», sagte Hausding. «Wir haben nicht das gezeigt, was wir in den letzten Tragen trainiert haben. Aber hinten kackt die Ente und wir haben das am Ende knallhart durchgezogen.»
Erst Fahnenträger, dann Medaille
Die vierten Olympischen Spiele laufen für ihn quasi perfekt. Erst der Auftritt mit Beachvolleyballerin Laura Ludwig bei der Eröffnungsfeier, nun die ersehnte Medaille. «Dass es als Wasserspringer und Fahnenträger so geklappt hat, ist wie ein Märchen», sagte er.
Mit im Wasser baumelnden Beinen hatte Hausding am Beckenrand gesessen und auf die entscheidende Wertung am Wettkampf-Ende gewartet. «Jaaaa», brüllte er, als sie auf der riesigen Leinwand erschien. Hausding sprang auf, spannte seine beeindruckenden Muskeln an und fiel Rüdiger um den Hals. «Wenn man am Beckenrand ist und am Ende diese Zahl aufleuchtet: Das war nicht wie in einem schlechten Film, sondern wie in einem ziemlich guten Film», sagte er.
Der Jubel über die zweite Tokio-Medaille war auch bei Bundestrainer Lutz Buschkow und den Teamkollegen riesengroß. Zwei Medaillen für die Sprungkünstler gab es zuletzt in Peking 2008. Damals jubelte Hausding im Synchronspringen vom Turm zusammen mit Sascha Klein, in Rio 2016 gewann er Bronze im Kunstspringen vom Drei-Meter-Brett. Im Japan hat er in der zweiten Olympia-Woche noch eine weitere Chance im Einzel. «Alles, was jetzt kommt, ist Zusatz», sagte Hausding.
Mit 404,73 Punkten betrug der Vorsprung auf Platz vier und Mexiko am Mittwoch 4,59 Zähler. Gold ging deutlich an die Chinesen Wang Zongyuan und Xie Siyi vor Andrew Capobianco/Mike Hixon aus den USA. Für Hausding war Bronze nach den Rio-Spielen besonders wichtig. Damals verpasste er zusammen mit Stephan Feck und Sascha Klein jeweils auf Rang vier nur knapp Edelmetall. «In jeder Disziplin, in der ich bei Olympia dabei war, habe ich eine Medaille», resümierte Hausding mit Blick auf seine Finalteilnahmen bei Sommerspielen. «Das kann man gar nicht beschreiben.»
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