Die Frage nach der Nummer eins in Hamburg in dieser Fußball-Saison ist längst beantwortet. Die Frage nach dem prestigeträchtigeren inoffiziellen Titel des Stadtmeisters klären der Hamburger SV und der FC St. Pauli am Freitag (18.30 Uhr/Sky).
Doch bei der 111. Auflage des Duells der beiden nur sieben Kilometer entfernten Nachbarn geht es um viel mehr als um das Ansehen. Seit dem vergangenen Wochenende steht fest, dass der etwas andere Verein FC St. Pauli erstmals seit 70 Jahren eine Saison vor dem großen Hamburger SV beendet. Als sei das nicht schon schlimm genug für die Hardcore-Fans des Vereins mit der Raute, könnte nun der Tabellenführer vom Kiez ausgerechnet im HSV-Wohnzimmer Volksparkstadion seinen sechsten Bundesliga-Aufstieg perfekt machen.
HSV-Konkurrent Düsseldorf spielt paralell
«14 Jahre seit dem bislang letzten Aufstieg sind eine lange Zeit, man merkt die Sehnsucht im Verein und bei den Fans, für die wir gern noch diesen finalen Schritt gehen würden», sagte St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler. Andrerseits kann der HSV mit einem Sieg seine eigene Chance auf den Aufstiegsrelegationsplatz drei in der 2. Bundesliga wahren.
Der vier Punkte vor den Hamburgern liegende Konkurrent Fortuna Düsseldorf spielt parallel am Freitag gegen den 1. FC Nürnberg. Verlieren die Rheinländer überraschend gegen die derzeit kriselnden Nürnberger, würde der HSV bei einem Sieg und noch zwei verbleibenden Spielen bis auf einen Punkt dran an der Fortuna sein und der FC St. Pauli trotz Niederlage aufgestiegen. Nebenbei könnte dann am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) auch der Tabellenzweite Holstein Kiel bei einem Sieg beim SV Wehen Wiesbaden dem FC St. Pauli erstmals in Liga eins folgen.
Doch die Konstellationen und Spekulationen erscheinen vor dem Anpfiff im Volkspark angesichts der Besonderheit und der Rivalität der beiden Vereine nachrangig – auch wenn die Trainer versichern, dass ihnen beides wichtig sei.
Derbysieg oder Aufstiegsrelegationsplatz? «Derbysieg und der Sprung auf Platz drei», sagte HSV-Trainer Steffen Baumgart. Ähnlich antwortete sein St. Pauli-Kollege Hürzeler auf die Frage Derbysieg oder Aufstieg: «Am besten beides.» Und der 31-Jährige ergänzte, dass der Aufstieg das Resultat einer ganzen Saison sei, «das Stadtderby das Resultat eines Spieles».
Derby elektrisiert die Hansestadt
Dass die Ausgabe des Stadtduells diesmal noch spezieller als ohnehin schon ist, bekommen die Protagonisten zu spüren. Unter den Fußball-Gläubigen in Hamburg gibt es kein anderes Thema. «Die ganze Woche fühlt sich schon besonders an. Das Wetter ist besser, die Leute sind draußen, und natürlich ist das Hauptthema in diesen Tagen das Derby», sagte St. Pauli-Kapitän Jackson Irvine dem «Hamburger Abendblatt». Der Australier lebt auf dem Kiez und bekommt die Stimmung rund um das Millerntor mit. Es sei eine besondere Woche – für ihn, für den Club und für das ganze Viertel. «Erst der wichtige Sieg gegen Hansa Rostock, der für unser Gefühl extrem wichtig war. Und nun das Stadtderby. Viel mehr geht nicht.»
Der von Kindesbeinen an bekennende HSV-Fan Baumgart sieht das ähnlich. «Dieses Stadtderby ist für mich nicht nur etwas Besonderes, sondern das, worauf ich mich am meisten gefreut habe, als ich den Job hier übernommen habe», meinte der 52-Jährige, der seit Februar an der Seitenlinie beim HSV steht.
Baumgart freut sich auf das Derby
Ein Derbysieg würde ihm und dem HSV insgesamt möglicherweise etwas Ruhe bescheren. Seit das erneute Aufstiegsscheitern wahrscheinlicher geworden ist, wird heftig spekuliert, wie es weitergeht – mit Sportvorstand Jonas Boldt, aber auch mit Baumgart selbst. Namen wie Jörg Schmadtke oder Felix Magath werden als mögliche Boldt-Nachfolger in den Medien gehandelt. Die jüngste Variante brachte die «Bild» mit Magath und mit dem einstigen Weltstar Raúl als Trainer ins Spiel.
Baumgart will sich damit nicht beschäftigen. Er freut sich einfach auf das Spiel am Freitag. «Zwei sehr, sehr gute Mannschaften auf dem Platz. Mit das geilste Stadion, was du haben kannst. Die Stimmung wird geil. Was willst du mehr, als 18.30 Uhr hier zu sein und Vollgas zu geben», sagte er und ergänzte: «Es gibt kein geileres Spiel.»
Die Polizei stuft das «geile Spiel» als Hochrisikospiel ein. Befürchtungen, dass es bei dem Hamburger Duell zu Ausschreitungen bis hin zu einem – wie in HSV-Fanforen diskutierten – Spielabbruch kommen könnte, sollte der FC St. Pauli vor dem Aufstieg stehen, hat Trainer Hürzeler nicht. «Ich glaube, dass alle, die dafür verantwortlich sind, das Maximale tun werden, um die Sicherheit zu garantieren.»
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