21. November 2024

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Gute Laune beim DFB-Team – EM-Wünsche der Kanzlerin

«Es geht richtig rund» im Franken-Camp der Nationalmannschaft. Die Spieler-WGs sind bezogen. Die Kanzlerin schaut virtuell vorbei. Und der Bundestrainer arbeitet an seinem Frankreich-Matchplan.

Sonne, Ruhe und gute Laune in den Spieler-WGs: Aus der streng abgeschirmten Quartier-Blase des Nationalteams dringen kurz vor dem EM-Knallstart gegen Frankreich nur Positiv-Meldungen an die Außenwelt.

Pünktlich zum Feinschliff für den Weltmeister kann Joachim Löw auf dem Adidas-Campus in Herzogenaurach endlich mit allen 26 Akteuren trainieren. Und einem digitalen Treffen der Mannschaft mit Kanzlerin Angela Merkel gab DFB-Direktor Oliver Bierhoff quasi als Regierungssprecher schon vorab eine ganz besondere Dimension.

«Es ist Jogis letztes Turnier, und es ist auch ihr letztes Turnier mit der Nationalmannschaft», sagte Bierhoff, der angesichts dieser Konstellation beinahe pathetisch schlussfolgerte: «Jedem wird dadurch nochmal deutlich, ohne es zu hoch hängen zu wollen, dass es eine nationale Angelegenheit ist». Der Bundestrainer soll nach 15 Jahren durchs große DFB-Tor verabschiedet werden, und Merkel im letzten ihrer 16 Jahre als Kanzlerin nochmal EM-Spaß als Edel-Fan haben. Vielleicht kommt sie sogar zu einem Gruppenspiel nach München. «Da kann sie mal kurz in den Flieger springen», bemerkte Bierhoff.

Rekord-Prämie für DFB-Team

Der DFB-Direktor erwartet Erfolge auf dem Platz. Die ausgelobte Rekord-Titelprämie von 400.000 Euro pro Spieler würde er «gerne bezahlen». Aber auch Bierhoff weiß, dass das DFB-Team drei Jahre nach dem WM-Desaster in Russland nicht zum engsten Favoritenkreis zählt.

Trotzdem mag der 53-Jährige Titelambitionen nicht im Vorhinein auf die WM 2022 oder gar die Heim-EM 2024 vertagen. «Unser Anspruch muss als Nationalmannschaft grundsätzlich sein, dass wir liefern», sagte Bierhoff. Und das gleich gegen den brutal starken Weltmeister.

Löw beendete die Ruhephase der ersten anderthalb Tage, an denen sich Kapitän Manuel Neuer und Kollegen zum Beispiel beim Paddle-Tennis die Zeit vertreiben durften. Der Bundestrainer eröffnete mit dem ersten Training im Adi-Dassler-Stadion die «heiße Phase» des Feinschliffs für Frankreich. «Jetzt geht es richtig rund», sekundierte Bierhoff.

Drei- bis Vier-Mann-WGs

Im «Home Ground» auf dem Adidas-Campus haben sich die Spieler inzwischen in ihren Drei- bis Vier-Mann-WGs eingewöhnt. Es gibt die Gaudi-Wohngruppe mit Thomas Müller und Robin Gosens. Oder das Mehrgenerationenhaus mit Teamsenior Neuer (35) und dem gerade erst volljährig gewordenen Bayern-Youngster Jamal Musiala (18).

Die Belegung der sieben Holzhäuser erfolgte nach einem System aus Setzen und Losen, wobei die Akteure mit den meisten Länderspielen zu WG-Chefs ernannt wurden. Geachtet wurde laut Bierhoff auf «eine gute Mischung. Drei Bayern-Spieler in einer Villa ist nicht ganz so gut.»

Die Akteure sollen sich aber ohnehin nicht in Grüppchen zurückziehen, sondern so viel Zeit wie möglich gemeinsam verbringen. Etwa auf dem Marktplatz beim EM-Spiele schauen. Zwar nicht «mit einem Bierchen in der Hand», wie Ilkay Gündogan bemerkte, aber eben auch nicht alleine. «Das wird in der großen Runde Spaß machen zu sehen, was andere Nationen drauf haben», sagte der 30-jährige Gündogan.

Frankreich als Favorit

Was die Franzosen drauf haben, wissen alle im DFB-Tross. Bierhoff verteilte vor dem Duell am Dienstag in München die Rollen: «Die Franzosen sind favorisiert.» Auch Löw weiß, dass gleich im ersten Spiel alles passen muss – und zwar in jeder der 90 Minuten.

«Wenn man gegen die Franzosen in einzelnen Aktionen unkonzentriert ist und kleinste Fehler macht, dann verliert man gegen sie», mahnte der 61-Jährige: «Darum müssen wir die Konzentration schärfen.»

Dafür erscheinen die Bedingungen im Franken-Camp ideal. Wahlweise «fantastisch» und «phänomenal» nannte sie Gündogan. «Besser geht es nicht», urteilte auch Quartiermeister Bierhoff, der von einem «wunderbar designten Ambiente mit Ruhe und Natur» schwärmte. Wenn Quartiere Spiele gewinnen könnten, müsste Deutschland eigentlich mit einem 1:0-Vorsprung in die Kraftprobe mit den Franzosen gehen.

Goretzka wieder im Training

Verpassen wird das Auftaktspiel Leon Goretzka, auch wenn der Bayern-Profi nach einer Muskelverletzung den Trainingsanschluss ans Team jetzt hergestellt hat. «Ich bin überzeugt, er wird noch ein wichtiger Spieler im Turnier», sagte Bierhoff. Ohne Goretzka muss Löw alternative Mittelfeld-Lösungen gegen die Équipe Tricolore finden.

Alles deutet auf die Lösung der Lettland-Generalprobe mit Joshua Kimmich auf der rechten Außenbahn und einer spielstarken, aber in der Defensivarbeit mit Fragezeichen versehenen Doppel-Sechs mit Toni Kroos und Gündogan hin. Dieses Duo stand bekanntlich auch beim historischen 0:6 gegen Spanien Ende letzten Jahres auf dem Platz.

Ein Wagnis also?! «Toni und ich wissen, dass wir beide keinen tollen Tag hatten», erinnerte Gündogan. Schon im Trainingslager in Seefeld unterhielten sie sich über «eine Definition unserer Positionen». Das locker-lässige 7:1 gegen Lettland sei «ein guter Anfang gewesen».

Löw von seinem Plan überzeugt

Gündogan fordert für sich und Kroos Unterstützung durch die robuste Innenverteidiger-Kette Matthias Ginter, Mats Hummels und Antonio Rüdiger: «Unsere Jungs hinter uns müssen uns unterstützen.»

Löw ist überzeugt von seinem Matchplan mit den großen Namen. «Wir haben eine gute Mannschaft, die vieles erreichen kann.» Er setzt auf den Bayern-Block, auf Kroos, auf Gündogan und auf Turnierneuling Gosens links. Und der Bundestrainer baut auf die Power der drei Champions-League-Sieger Antonio Rüdiger, Finaltorschütze Kai Havertz und Timo Werner, der zunächst als Edel-Joker vorgesehen ist.

Abwehrhüne Rüdiger sei «ein Anführertyp geworden, der andere mitzieht, der andere pusht, der anderen als Vorbild dient», lobte Löw. Und Jungstar Havertz, der am Tag der EM-Eröffnung 22 wird, bescheinigte der Bundestrainer, «ein wichtiger Faktor in unserem Spiel» zu sein. «Ob so ein junger Spieler das Turnier zu seinem Turnier machen kann, das kann vorher keiner sagen», ergänzte Löw.

Von Klaus Bergmann, Jens Mende und Arne Richter, dpa