Auch abseits des Rasens von Wimbledon begegnet Oscar Otte den Tennis-Größen wie seinem nächsten Gegner Carlos Alcaraz inzwischen auf Augenhöhe.
Weil die deutsche Nummer eins in Abwesenheit von Alexander Zverev erstmals bei einem Grand-Slam-Turnier gesetzt ist, darf er sich in der Umkleide der Stars mit allem Luxus – wie zum Beispiel einem Minigolf-Loch – vorbereiten. Und sportlich kennt der Aufsteiger aus dem Rheinland vor dem spanischen Wunderkind erst recht keine Scheu mehr.
«Wenn ich eine gute Chance habe, dann wird es auf Rasen sein, auf den anderen Plätzen ist er einer der besten Spieler», sagt Otte vor seinem Drittrunden-Match mit dem größten Jung-Star der Szene selbstbewusst: «Mein aggressives Spiel auf Rasen ist für viele Gegner sehr unangenehm.»
Auch ohne Glücksstein erfolgreich
Zum ersten Mal in seiner Karriere steht der Kölner im fortgeschrittenen Profi-Alter von 28 Jahren beim Rasen-Klassiker in der dritten Runde und darf sich gegen den neun Jahre jüngeren Alcaraz durchaus Chancen ausrechnen. Einem lockeren Drei-Satz-Auftaktsieg über Peter Gojowczyk folgte ein 15-Minuten-Auftritt bis zur Aufgabe des Amerikaners Christian Harrison.
Im Doppel scheiterte Otte an der Seite des Niederländers Tallon Griekspoor am Donnerstag glatt in drei Sätzen in der ersten Runde. Dass auf dem Flug nach London seine Tennis-Tasche samt Rasenschuhen und einem Glücksbringer seines Vaters verschollen ist, macht sich im Einzel bislang aber nicht negativ bemerkbar. «Eigentlich bin ich sehr abergläubisch», sagte Otte: «Es hat bislang auch ganz gut ohne Glücksstein geklappt.»
Im vergangenen Jahr begann der Weg Richtung Weltspitze. Otte unterlag dem britischen Idol Andy Murray knapp in fünf Sätzen – die Worte des zweimaligen Siegers beim Handschlag am Netz auf dem Centre Court kann er noch heute wiedergeben: «Er hat am Netz gesagt, dass ich weiter so gut spielen und dranbleiben soll, dann kommen die Ergebnisse von ganz alleine.»
Otte ist erwachsen(er) geworden
Dass Otte ohne den verletzten Zverev als letzter Deutscher der Herren-Konkurrenz im Rampenlicht steht, ist das Ergebnis harter Arbeit und einer persönlichen Entwicklung. Jahrelang dümpelte er fernab der Top 100 der Weltrangliste umher. Inzwischen zahlt sich die Kooperation mit Trainer Peter Moraing, dessen Tochter Emma seine Freundin ist, auch bei den Ergebnissen aus.
«Ich bin erwachsener geworden, habe erkannt, was ich für mich brauche», beschreibt Otte in Wimbledon seinen persönlichen Reifeprozess und klare Ansagen seines Trainers: «Im Match ruhiger zu sein, im Training vernünftiger zu arbeiten, das hat mir früher gefehlt. Am Anfang hat es von seiner Seite aus gekracht, da ist er etwas lauter geworden, dass ich erwachsener werden soll.»
Dies hat auch die Konkurrenz bemerkt. Immer wieder wird Otte in Wimbledon auf seine beiden Halbfinal-Teilnahmen in Stuttgart und Halle angesprochen. «Er ist ein tolles Beispiel für die Entwicklung eines Spielers», sagt der frühere Davis-Cup-Kapitän und Sky-Experte Patrik Kühnen der Deutschen Presse-Agentur: «Er ist seinen Weg gegangen mit Peter Moraing, sie arbeiten seit vielen Jahren zusammen, es gibt ein großes Vertrauensverhältnis zwischen ihnen. Das zahlt sich jetzt aus.»
So ganz hat Otte alte Verhaltensmuster dann aber doch noch nicht abgelegt. Er müsse beim Turnier immer durch ganz London fahren, anstatt wie andere Profis einen kurzen Fußweg durch die Gassen von Wimbledon zur Anlage zu nehmen. «Ich war wie immer ziemlich spät dran mit der Hotelbuchung», berichtet Otte und ergänzt augenzwinkernd: «Ich bin da immer ein bisschen faul und nachlässig.»
Weitere Nachrichten
Koepfer muss verletzt für Wimbledon absagen
Koepfer muss verletzt für Wimbledon absagen
Wimbledon beginnt: Chance für Zverev, Rätsel um Djokovic