24. November 2024

Sport Express

Express-Sport direkt aus der Arena

«Gruppe Berkhahn» prägt Schwimm-WM

Seinem Sport ordnet Bernd Berkhahn vieles unter. Der Coach von Olympiasieger Florian Wellbrock formt Medaillengewinner und Sommerspiele-Teilnehmer. Dabei sind seine Arbeitsbedingungen nicht optimal.

Bernd Berkhahn hat es wieder geschafft. Der Erfolgstrainer von Schwimm-Champion Florian Wellbrock hat in Oliver Klemet den nächsten Athleten zum Spitzenschwimmer geformt und zum Olympia-Ticket gecoacht. Die «Gruppe Berkhahn», wie Wellbrock sein Magdeburger Team gerne nennt, prägt schon jetzt wieder die WM in Japan. Wer ist der Trainer, der seit Jahren Medaillengewinner bei Weltmeisterschaften und Olympia formt?

Berkhahn ist ein akribischer Arbeiter, der für den Schwimmsport auf sehr vieles verzichtet. «Die Familie sieht man in der Früh vielleicht, und dann ab 19.30 oder 20 Uhr wieder», sagte der 52-Jährige der «Süddeutschen Zeitung» zuletzt. «Und wenn die Kinder im Bett sind, setzt man sich an den Schreibtisch.» Vier bis fünf Monate im Jahr ist er nach eigenen Angaben zudem unterwegs.

Top-Athlethen unter seinen Fittichen

Zu seinen Athleten zählen neben Olympiasieger Wellbrock und Klemet, der sich mit Bronze im wichtigsten WM-Freiwasserrennen über zehn Kilometer am Sonntag die Qualifikation für die Sommerspiele in Paris sicherte, weitere Topschwimmer. Lukas Märtens wurde im vergangenen Jahr Vizeweltmeister über 400 Meter Freistil. Dessen Freundin Isabel Gose ist über die Distanz Europameisterin. Das Paar will in der zweiten WM-Woche in den Beckenrennen angreifen.

Auch der ukrainische Spitzenschwimmer Mychajlo Romantschuk und die niederländische Freiwasser-Olympiasiegerin Sharon van Rouwendaal setzen auf Berkhahns Expertise. Die Nationalität seiner Sportler ist dem Trainer nicht wichtig. Ihm geht es um die Sache.

Für seine Sportlerinnen und Sportler ist Berkhahn nicht nur Schwimm-Fachmann, sondern auch Vertrauensperson. Romantschuk, der wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine seit März 2022 in Magdeburg lebt, nannte den Coach jüngst als denjenigen, mit dem er dort am meisten über die Situation in seiner Heimat spricht. Es sei «eine Ehre», mit ihm zu arbeiten, schrieb der 26-Jährige bei Instagram. Berkhahn habe ihm geholfen, seine Karriere fortzusetzen.

Offene Kommunikation – auch bei Fehlern

Öffentlich hält sich der Trainer oft zurück. Wenn ihm etwas nicht passt, sagt er das deutlich, spricht Fehler klar an. In den Vordergrund drängt er sich aber nicht. Die große Bühne überlässt er seinen Sportlern. Mit ihnen fiebert er emotional mit. Als Klemet nach Bronze in Fukuoka aus dem Zielbereich kam, stürmte Berkhahn mitten im Interview auf ihn zu und fiel ihm in die Arme. Bei der Siegerehrung zog er aus Anerkennung vor dem 21-Jährigen und Goldgewinner Wellbrock die Kappe vom Kopf.

Für die optimale Leistung seiner Becken- und Freiwasser-Asse dreht Berkhahn an jeder möglichen Stellschraube. Der Langstreckenbundestrainer weiß, dass es in der absoluten Weltspitze auf Details ankommt – zum Beispiel bei der Ernährung.

Berkhahn stellte fest, dass seine Sportler im Höhentrainingslager regelmäßig viel Gewicht verloren. «Wir haben über verschiedene Messungen und Forschungsprojekte festgestellt, dass der Hauptteil des Gewichtsverlusts Muskelmasse war. Das können wir uns natürlich nicht erlauben», erklärte er. Beim vergangenen Trainingslager kam dann ein eigener Koch mit. Der habe «super» gekocht, sagte Berkhahn und ergänzte mit einem Lächeln: «Manchmal zu gut für die Trainer.»

Vorerst kein Wechsel

Die Hingabe danken seine Athleten dem Coach. Vor den Mikrofonen und in den sozialen Netzwerken betonen sie immer wieder seinen Anteil am Erfolg. Auch im Ausland schätzt man Berkhahns Arbeit. Ein Wechsel in eine Schwimm-Nation wie Australien, wo er wohl deutlich mehr verdienen könnte, kommt derzeit aber nicht infrage.

Berkhahn fühlt sich seinen Sportlern und dem Standort Magdeburg verpflichtet, obwohl er sich dort das Trainingsbecken mit Schulklassen und Hobbysportlern teilen muss. Eins hat er sich aber vorgenommen: Nach den Olympischen Spielen in Paris will er seit Langem mal wieder seinen Urlaub komplett nehmen.

Von Thomas Eßer und Gerald Fritsche, dpa