Nach den Schiedsrichter-Fehlentscheidungen am Bundesliga-Wochenende wird die Kritik immer größer – auch am Deutschen Fußball-Bund.
Der frühere Top-Referee Manuel Gräfe macht eine jahrelange Fehlentwicklung im DFB für die Fehler verantwortlich und fordert einen «Neustart». Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus schlägt nach «Entscheidungen, die so einfach nicht mehr zu akzeptieren sind», ehemalige Profi-Fußballer als Unterstützung für den Video-Assistenten vor. Der DFB hatte selbst Fehler der Unparteiischen in zwei Partien eingeräumt.
Gräfe: «Zeit die Verantwortungsfrage zu stellen»
Am Samstag hatte wieder einmal die Rolle des Video-Assistenten in der Bundesliga für Kritik gesorgt. Beim Topspiel zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund (3:1) griff der VAR nach einem elfmeterwürdigen Foul von Benjamin Pavard gegen BVB-Profi Jude Bellingham nicht ein. Beim 2:1-Sieg des 1. FC Union bei RB Leipzig meldete indes der Video-Assistent einen Tritt von Leipzigs Nordi Mukiele gegen den Berliner Niko Gießelmann, der Schiedsrichter revidierte seine Entscheidung aber nicht. Videobeweis-Projektleiter Jochen Drees erklärte in einer DFB-Mitteilung am Montag ein, dass in beiden Fällen falsch entschieden worden war.
«Es wird Zeit, nachdem der DFB die Schiedsrichterei strukturell und personell zwölf Jahre gegen die Wand gefahren hat, die Verantwortungsfrage zu stellen», schrieb Gräfe in einem Gast-Kommentar bei der «Bild»-Zeitung und ergänzte: «Wenn es in einem Verein oder in einer Firma über Jahre nicht funktioniert, wird auch irgendwann zu Recht die Managementebene zur Verantwortung gezogen.»
Die Schiedsrichter sind seit dem 1. Januar in einer ausgegliederten GmbH organisiert. Den Bereich «Sport und Kommunikation» verantwortet Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich, um «Management und Organisation» kümmert sich Abteilungsleiter Florian Götte. Der DFB ist mit 51 Prozent Mehrheitsgesellschafter, die Deutsche Fußball Liga ist ebenfalls Gesellschafter.
Gräfe: «Leistungsprinzip steht hinten an»
Es seien einfach zu viele und zum Teil klare Fehlentscheidungen, so Gräfe, der betonte: «Da sind wir wieder beim Leistungsprinzip, das seit Langem bei der DFB-Schiedsrichterführung leider hinten ansteht. Früher bei den Bossen Fandel und Krug, heute bei Fröhlich, Meyer und Drees.» Es seien der DFB – und mittlerweile auch die DFL – gefordert, denn es könne nicht sein, dass diese Problematik der Bundesliga derart schade. «Fehlentscheidungen haben offensichtlich keine notwendigen Konsequenzen, da man lieber nach persönlichen, regionalen oder politischen Aspekten die Schiedsrichter für Positionen oder Aufgaben auswählt.»
Gräfe, der im Sommer 2021 seine Karriere wegen der Altersbeschränkung beenden musste und deswegen mit dem DFB im Clinch lag, fordert einen «Neustart ohne diese politischen Einflüsse». Der 48-jährige Berliner schlägt die Verpflichtung des früheren Schweizer Schiedsrichters Urs Meier vor, der «unabhängig und leistungsorientiert» agieren könne.
Matthäus bringt Ex-Fußballer ins Gespräch
Matthäus könnte sich indes vorstellen, dass ehemalige Profifußballer als Unterstützung eingesetzt werden. Neu ist der Vorschlag nicht. «Wir als ehemalige Fußballer können das deshalb besser bewerten, weil wir selber permanent und jahrelang in diesen Situationen waren und wissen, wie es aussieht, wenn man foult oder gefoult wird. Wie man fällt, wohin sich der Ball bewegt, wenn dieses oder jenes davor passiert. Und vor allem sehen wir es schneller», schrieb Matthäus in einer Sky-Kolumne. Die Intuition von Ex-Fußballern sei in solchen Fällen eine andere.
Gleichwohl ist Matthäus aber dagegen, den Video-Schiedsrichter wieder abzuschaffen. Das wäre «ein Rückschritt», so der Weltmeister von 1990: «Ich finde schon, dass unterm Strich mehr Fehlentscheidungen verhindert werden als früher und trotzdem ist noch Luft nach oben.»
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