Selbst die Knabber-Attacke von Antonio Rüdiger brachte Paul Pogba nicht aus dem Konzept. «Am Ende haben wir uns umarmt», sagte der französische Fußball-Weltmeister nach dem 1:0-Sieg gegen Deutschland zum EM-Auftakt und hatte für die ungewöhnliche Aktion nur ein Lächeln übrig.
So mancher in Manchester wird sich in diesem Moment gefragt haben, wie der eigentlich als Hitzkopf geltende Pogba wohl bei einer solchen Aktion im United-Trikot reagiert hätte. Doch der Paul Pogba im Verein und der Paul Pogba im Kreise der Equipe Tricolore, das sind offenbar ganz unterschiedliche Menschen. Und so war der in England in dieser Saison wieder eher durchschnittliche Mittelfeldspieler beim Sieg der Franzosen in München der alles überragende Spieler.
Weltklasse Leistung
«Ich frage mich wirklich, was der das ganze Jahr in Manchester macht», wunderte sich auch Ex-Weltmeister Christoph Kramer als ZDF-Experte: «Wo ist der das ganze Jahr? Wenn ich das mit heute vergleiche – da war er Weltklasse. Wenn er seinen Körper drin hat, das ist unfassbar, was er für eine Qualität hat. Offensiv und defensiv. Und wenn er diese Spielfreude hat, dann ist er deren bester Mann.»
Während des Jahres spiele der einst 105 Millionen Euro teure Stratege «manchmal als hänge er in Jogginghosen rum», schrieb die Sporttageszeitung «L’Equipe»: «Aber er geht nicht ohne seinen Anzug zu einem Gala-Abend.» Soll heißen: Wenn es gilt, ist Pogba da. So wie 2018, als er Frankreich als echter Leader zum WM-Titel führte. Legendär soll seine Ansprache direkt nach dem 1:0 im Halbfinale gegen Belgien gewesen sein, als er das Team mit einer flammenden Kabinen-Rede auf das Endspiel einschwor. Der Sender RMC bezeichnet ihn nach einem «XXL-Spiel» als «Mann für besondere Momente. In Manchester wird er manchmal als arrogant erfunden. Beim Nationalteam ist er ein vorbildlicher Mitarbeiter.»
Am Dienstag habe der 28-Jährige «meisterhaft» gespielt, urteilte die sonst nicht zu Superlativen neigende «L’Equipe». Angesichts seiner beeindruckenden Zahlen und der dadurch nicht einmal erfassten Genialitäten wie den öffnenden Ball per Außenrist, der den Siegtreffer einleitete, müsse man für ihn «neue Statistiken erfinden». Für den Sender RTL war er «ein Gott».
Pogba gibt sich bescheiden
Im Kreise des Nationalteams fühlt sich Pogba offenbar pudelwohl. Nationaltrainer Didier Deschamps kriegt den Exzentriker augenscheinlich besser in den Griff als jeder seiner Kollegen. Auf große Töne verzichtete der auch als Spieler des Spiels ausgezeichnete Pogba vor den Mikrofonen. Es sei ein «Sieg des Kollektivs» gewesen, erklärte er artig.
Und dann folgte im privaten Kreis doch noch die große Ansage. Pogba lief zu seiner auf der Tribüne sitzenden Mutter Yeo Moriba und seinen Bruder Mathias, der ebenfalls Fußball-Profi ist und einst fünf Länderspiele für Guinea bestritt. Pogba schlug sich mehrfach mit der Hand auf die Brust und rief laut: «Wir werden den Pokal holen! Wir werden den Pokal holen!»
Wenn Pogba seinen Anzug anbehält, steigen die Chancen beträchtlich.
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