Leon Goretzka nutzte die mehrstündige Busfahrt des arg dezimierten Bayern-Kaders von München in die 300 Kilometer entfernte Bierstadt Pilsen dazu, gefühlt «5000 Autogrammkarten zu schreiben».
Im Champions-League-Spiel gegen den Punktelieferanten Viktoria Pilsen mit Rückkehrer Thomas Müller will der Fußball-Nationalspieler am Mittwoch (21.00 Uhr/DAZN) als dynamischer Antreiber im Mittelfeld mit dafür sorgen, den nächsten fest eingeplanten Sieg einzufahren. Trainer Julian Nagelsmann will gerade auch mit Blick auf die Schieflage in der Bundesliga vor dem Topspiel gegen den SC Freiburg «den Ruhepol Champions League beibehalten», auch aus «stimmungsmäßigen» Gründen.
Mit nach Tschechien nahm Nagelsmann neben dem Bundesliga-Frust nach dem ärgerlichen 2:2 im Liga-Topspiel gegen Borussia Dortmund erhebliche Personalprobleme: Beim noch in München absolvierten Training fehlte neben dem mit Corona infizierten Jamal Musiala auch Kapitän Manuel Neuer wegen einer laut des Trainers «zu schmerzhaften» Schulterblessur. Die Abwehrspieler Matthijs de Ligt (muskuläre Probleme) und Alphonso Davies (Schädelprellung) sowie Angreifer Serge Gnabry (Knie) müssen in Tschechien ebenfalls passen. Sven Ulreich bereitete sich derweil im Tor intensiv auf seinen erst zweiten Saisoneinsatz vor.
Goretzka: Wollen mit zwölf Punkten nach Hause fahren
Goretzka kann wenige Wochen vor der Weltmeisterschaft in Katar seine Rolle als Münchner Vorarbeiter endlich mal wie von ihm gewünscht ausfüllen. Nach der Ankunft in der tschechischen Bierstadt formulierte der 27-Jährige ein klares Ziel für den Pilsen-Trip: «Wir wollen am Donnerstag mit zwölf Punkten nach Hause fahren.»
Was Goretzka zu leisten vermag, wenn er fit ist, demonstrierte er in Dortmund – und das idealerweise vor den Augen von Bundestrainer Hansi Flick. Goretzka glänzte als Torschütze, Antreiber und defensiver Abräumer. Kurzum: Er zeigte exakt jene Qualitäten, die auch Nagelsmann an ihm besonders schätzt: «Leon macht es außergewöhnlich gut. Er ist einer, der einem Trainer immer ein gutes Gefühl gibt.»
Goretzka müsste von seinen Fähigkeiten her eigentlich im Mittelfeld gesetzt sein, beim FC Bayern und in Flicks WM-Elf. Doch das ist er nicht, weil das Kraftpaket immer wieder über Wochen ausfällt. In der Saisonvorbereitung stoppte ihn eine Knie-Operation. Zuletzt bremste ihn eine Corona-Infektion, die ihn auch die Länderspiele gegen Ungarn und England kostete. Darum gilt eine Gleichung, die Goretzka zuletzt selbst aufstellte: «Wenn ich körperlich fit und stabil bin, dann ist meist auch meine Leistung ordentlich.»
Goretzka lässt seinen Worten Taten folgen
Beim in letzter Minute verspielten Sieg in Dortmund war er der beste Mann auf dem Platz. Nach dem ärgerlichen 2:2 redete er Klartext und streifte dabei auch die leidige Münchner Mittelstürmer-Debatte. «Wenn du 2:0 führst, musst du eigentlich kein Tor mehr schießen, um zu gewinnen.» Seine Ansprüche im Konkurrenzkampf mit Marcel Sabitzer und Ryan Gravenberch um den Platz neben dem im Mittelfeld gesetzten Joshua Kimmich formulierte er zuletzt offensiv: «Es liegt in meiner DNA und auch in der von den anderen Jungs, dass sie auf dem Platz stehen wollen. Das ist schon mein Anspruch, das habe ich auch klar gesagt.»
Goretzka lässt den selbstbewussten Worten gerade Taten folgen. Vor seinem starken Auftritt gegen den BVB überzeugte er zuvor auch beim 5:0-Hinspielsieg gegen Pilsen mit zwei Torvorlagen. Mit einem Sieg in der kleinen Doosan Arena von Pilsen könnte das Achtelfinal-Ticket im Idealfall schon am Mittwoch gebucht werden. Helfen soll dabei neben Goretzka auch Müller, der nach seiner dritten Corona-Infektion wieder zur Verfügung steht. «Diese Coronawelle ist schon zermürbend», stöhnte der kürzlich selbst positiv getestete Goretzka, der mit Blick auf das Virus hofft: «Ich bin jetzt für Herbst und Winter gewappnet. Bei mir dürfte nichts mehr anbrennen.»
Das wäre hilfreich, um sich im Bayern-Trikot auch für Flicks WM-Elf zu empfehlen. Schließlich will Goretzka bei seinem zweiten WM-Turnier eine ungleich wichtigere Rolle spielen als 2018: In Russland stand er nur im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea auf dem Platz. Es war das Spiel, welches das historische Vorrunden-Aus der DFB-Elf besiegelte.
Die voraussichtlichen Aufstellungen
Viktoria Pilsen – FC Bayern München (Mittwoch, 21.00 Uhr, DAZN)
Viktoria Pilsen: Stanek – Havel, Pernica, Hejda, Jemelka – Kopic, Kalvach, Bucha, Vlkanova – Mosquera, Chory
FC Bayern München: Ulreich – Mazraoui, Pavard, Upamecano, Stanisic – Kimmich, Goretzka – Coman, Sané, Mané – Müller
Schiedsrichter: Frankowski (Polen)
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