25. November 2024

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«Geschmäckle» – Bayers mögliche Meisterschaft und die Folgen

«Vizekusen»? Der Begriff ist zwar noch bis 2030 geschützt, könnte aber in diesem April inhaltlich Geschichte sein. Die nahende Meisterschaft von Bayer Leverkusen begeistert nicht alle.

Jahrelang haben Millionen Fans im deutschen Fußball einen anderen Meister als den FC Bayern herbeigesehnt. Und jetzt? Bayer Leverkusen? Der nahende erste Titel der Werkself, die nur noch einen Sieg aus sechs Spielen braucht, scheint bei den neutralen Anhängern nicht gerade Jubelstürme auszulösen.

«Bayer Leverkusen hat mit sportlichem Geschick eine fabelhafte Saison hingelegt. Es gehört sich, diese Leistung anzuerkennen», hieß es in einer Antwort des Fan-Bündnisses «Unsere Kurve» an die Deutsche Presse-Agentur auf die Frage wie es in den Fanszenen gesehen wird, dass ausgerechnet Bayer 04 jetzt die Bayern als Dauermeister ablöst. Durch die 50+1-Ausnahme seien die finanziellen Voraussetzungen bei Bayer aber anders als bei anderen Vereinen – insbesondere im Nachgang der Corona-Pandemie. Es werde im Falle einer Meisterschaft für neutrale Fans daher ein «Geschmäckle» bleiben.

Bei der 50+1-Regel geht es im Kern darum, dass der Stammverein die Stimmenmehrheit an der Kapitalgesellschaft der ausgegliederten Profi-Abteilung hält. Ausgenommen davon sind laut Satzung der Deutschen Fußball Liga Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg

«Aufmerksamkeitsschübe sind wichtig»

Doch während aus der Sicht so mancher Fans der falsche Club die Dominanz der Bayern bricht, hat die bisher makellose Saison des Teams von Trainer Xabi Alonso auch positive Aspekte. Aus Sicht des Sportökonomen Christoph Breuer tut die überragende Bayer-Saison mit bislang keiner einzigen Pflichtspiel-Niederlage der Vermarktung der Bundesliga gut. Diese Leistungen in Kombination mit Alonso als international bekanntem Trainer und Nationalspielern aus vielen verschiedenen Ländern geben der Bundesliga einen punktuellen Aufmerksamkeitsschub, wie der Professor der Deutschen Sporthochschule in Köln sagte.

«Solche Aufmerksamkeitsschübe sind wichtig, damit die Bundesliga international noch attraktiver wird. Es kann bereits jetzt helfen, wenn die TV-Rechte für das Ausland veräußert werden.»

Tabellenführer Leverkusen kann den Titel bereits an diesem Wochenende perfekt machen. Die 170.000-Einwohner-Stadt darf danach von zwei weiteren Titeln und damit dem Triple träumen. Bayer steht im Finale des DFB-Pokals und im Viertelfinale der Europa League. Das Image der grauen Maus im Schatten der rheinischen Nachbarn aus Köln und Mönchengladbach könnte Leverkusen dann endgültig ablegen.

Und auch der um die Jahrtausendwende geprägte Spottname «Vizekusen» könnte ein für alle Mal Geschichte sein – wenn Bayer denn will. Laut dem Deutschen Patent- und Markenamt wurde die Marke «Vizekusen» 2010 eingetragen und für die Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH bis derzeit Ende Februar 2030 geschützt.

Dies sei damals kein Akt der Selbstironie gewesen, erklärt der frühere Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser heute. «Der Boulevard wollte aus Vizekusen eine Kampagne machen, T-Shirts verkaufen und so weiter. Dem wollte ich vorbeugen, um die Marke zu schützen», sagte Holzhäuser der dpa.

Auch «Meisterkusen» war den Angaben des Amts zufolge für Bayer einst geschützt, allerdings wurde die Eintragung nicht verlängert und die Marke im März 2020 somit gelöscht.

Fußballer siegen, Konzern macht Verluste

Während es für die Bayer-Fußballer so gut läuft wie nie zuvor, hat der Haupt- und Namenssponsor zu kämpfen. Das klassische Chemiegeschäft hat die 1863 gegründete Traditionsfirma längst abgegeben, um sich auf zwei Kerngeschäfte – Arzneimittel und die Agrarchemie, also Saatgut und Pflanzenschutzmittel – zu fokussieren. Mit der Konzentration aufs Wesentliche wollte das Unternehmen so stark werden wie möglich, um den globalen Wettkampf mit anderen großen Rivalen zu meistern.

Mit der Übernahme des US-Rivalen Monsanto 2018 wagte der damalige Konzernchef Werner Baumann den großen Wurf, um den globalen Agrarchemie-Markt zu dominieren. Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und dem steigenden Erntebedarf sollte das eine Investition in die Zukunft sein.

Doch aus einer gewinnbringenden Meisterschaft in dieser Wirtschaftssparte wurde nichts, stattdessen belasteten milliardenschwere Rechtsrisiken um den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat, das Monsanto unter dem Namen Roundup im Portfolio hatte, die Bilanz. Bayer betont zwar immer wieder, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung sicher sei, die Zahl der Schadenersatzklagen wegen Krebsgefahr ging dennoch durch die Decke. Anstatt zum Befreiungsschlag zu werden, wurde der mehr als 55 Milliarden Euro teure Monsanto-Deal zur schweren Hypothek für die Firma, deren Aktienkurs sank und sank.

Zusätzliche Attraktivität für Arbeitgeber Bayer?

Inzwischen ist Bayer an der Börse nur noch rund 27 Milliarden Euro wert – und zwar inklusive von Monsanto. Aktionären verweigerten 2019 dem Bayer-Boss Werner Baumann sogar die eigentlich standardmäßige Entlastung bei der Hauptversammlung. Anstatt wie die Fußballer zu glänzen, hat es das Unternehmen derzeit schwer: 2023 machte Bayer bei einem Umsatz von 47,6 Milliarden Euro einen Verlust von 2,9 Milliarden Euro.

Ob das Unternehmen Bayer durch einen Meistertitel in der Fußball-Bundesliga nicht nur sportlich, sondern dann auch wirtschaftlich wieder vermehrt positive Schlagzeilen macht, ist abzuwarten. «Aus der Vergangenheit lernen wir, dass sich das Engagement der Bayer AG im kulturellen, sozialen und sportlichen Bereich positiv auf das Image des Unternehmens auswirkt. Wir hoffen, dass sich dieser Effekt durch Titel der Bayer 04-Fußballer künftig noch verstärkt», sagte der im Unternehmen für den Sport verantwortliche Nicolas Limbach der dpa.

Auch die Bekanntheit der Marke Bayer werde sich durch den Erfolg des kickenden Personals steigen, versicherte Limbach. Direkte finanzielle Auswirkungen zum Beispiel auf den Börsenwert beziehungsweise den Aktienkurs seien aber eher nicht zu erwarten, sagte Sportökonom Breuer. Bayer könne jedoch als Arbeitgeber an Attraktivität gewinnen.

Von Christian Johner und Wolf von Dewitz, dpa