Für Claudia Pechstein und Francesco Friedrich stellt die Fahnenträger-Ehre bei der Eröffnungsfeier der Winterspiele in Peking sogar ihre sportlichen Erfolge in den Schatten.
«Das ist ein i-Punkt auf meiner Karriere. Das ist für mich mehr wert als alle meine olympischen Medaillen», sagte die 49 Jahre alte fünfmalige Olympiasiegerin im Eisschnelllauf einen Tag vor dem Einzug ins «Vogelnest»-Stadion am 4. Februar (13.00 Uhr/ZDF und Eurosport) völlig beseelt.
«Wie ein Ritterschlag unter Sportlern»
Bei ihrer achten Olympia-Teilnahme die Auserwählte zu sein, macht die Rekordlerin nicht nur sehr stolz: «Ich freue mich umso mehr, dass ich hierbei einen Sieg geholt habe.» Pechstein gewann die Wahl mit 37,43 Prozent vor Snowboarderin Ramona Hofmeister (34,52) und Rodlerin Natalie Geisenberger (28,06). Gewählt wurden die Fahnenträger zur Hälfte von den Athleten des deutschen Teams und von Fans.
Bob-Dominator Friedrich reagierte nicht weniger überschwänglich auf seine Kür. «Das ist wie ein Ritterschlag in England», sagte er. Vor vier Jahren in Pyeongchang sei er hinter dem damaligen Fahnenträger und Nordischen Kombinierer Eric Frenzel einmarschiert, «was schon ein Gänsehautmoment» gewesen sei. Die schwarz-rot-goldene Flagge nun selbst tragen zu dürfen, «ist nicht in Wort zu fassen».
Bei der Männern setzte sich der Doppel-Olympiasieger mit 43,39 Prozent gegen den deutschen Eishockey-Kapitän Moritz Müller (39,02) und Rodel-Ass Tobias Wendl (17,6) durch. Insgesamt wurden bei der Wahl der Öffentlichkeit mehr als 120.000 Stimmen abgegeben.
Pechstein: «Das ist Emotion pur»
Olympia-Evergreen Pechstein wird erst ihre zweite Eröffnungsfeier live miterleben. Zuletzt war sie vor 30 Jahren bei ihrem Olympia-Debüt in Albertville beim Einmarsch dabei. «Ich werde es total genießen, mit der Mannschaft an den Start zu gehen», sagte Deutschlands erfolgreichste Sportlerin bei Winterspielen. Meistens musste sie auf diesen «Gänsehauptmoment» verzichten, weil immer am anderen Tag die Wettkämpfe begannen.
Auch in Peking muss die Langstrecken-Spezialistin am Samstag ins Oval und hofft auf die Schubkraft der Eröffnungsfeier: «Das ist Emotion pur, das ist Motivation pur.» Die Beine würden vielleicht nicht frisch sein, «aber der Kopf ist frisch». Erst am vorletzten Olympia-Tag startet Pechstein dann noch im Massenstart-Rennen – im Übrigen ohne Unterstützung eines Trainers. «Ich bin alt genug und weiß, was ich trainieren muss», sagte sie.
Auch 2018 gehörte Pechstein zu den Kandidatinnen, kam damals aber nicht zum Zug, obwohl sie im Votum der deutschen Fans die Nummer eins war. Eine neunte Olympia-Teilnahme 2010 in Vancouver verpasste sie durch eine Sperre, gegen die Pechstein mit allen Mitteln vorging, da bei ihr vererbte Blutanomalie festgestellt wurde.
«Es ist ein cooles Duo mit Francesco»
Der gebürtige Sachse Friedrich hat noch gut eine Woche Zeit, bis er im Zweier- und Viererbob auf Medaillenjagd geht. Dennoch zögerte der perfektionistische Pilot, ob er an der Eröffnungsfeier teilnehmen soll. Ein zusätzlich durch die Organisatoren angeordneter Extra-PCR-Test ist mit einer früheren Anfahrt ins Stadion verbunden. «Es geht nur ein paar Minuten eher los, aber wir müssen sichergehen, dass alles seinen Gang geht», erklärte Friedrich. «Wir haben aber eine perfekte Lösung gefunden.» Die Bobfahrer sind im dem 75 Kilometer vom Pekinger Stadtzentrum entfernten Yanqing einquartiert.
Claudia Pechstein ist jedenfalls froh darüber, mit dem seit Jahren im Eiskanal ungeschlagenen Friedrich die Fahne abwechselnd zu tragen: «Es ist ein cooles Duo mit Francesco.»
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