Im DDR-Sport war Jutta Müller eine der schillerndsten und erfolgreichsten Trainerinnen.
Linientreue und SED-Mitgliedschaft hielten die «Eiserne Lady» des Eiskunstlaufs nicht davon ab, mit Pelzmantel in den Arenen der Welt die Erfolge an der Seite ihrer Schlittschuh-Größen Katarina Witt, Anett Pötzsch, Jan Hoffmann oder ihrer Tochter Gaby Seyfert zu feiern. 57 Medaillen bei EM, WM und Olympischen Spielen sind die einmalige Bilanz von Jutta Müller.
Müller wurde 94
Im Alter von 94 Jahren ist sie nun in einem Pflegeheim bei Berlin gestorben. Das bestätigte ihre Tochter der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte der MDR darüber berichtet. «Mit ihr verliert die Eiskunstlauf-Welt eine der größten Trainerpersönlichkeiten und ist bestürzt über ihren Tod», sagte Andreas Wagner, Präsident der Deutschen Eislauf-Union.
«Sie hat Talent erkannt und war selbst getrieben, dass man dies nicht vergeudet», sagte Witt einst über ihr strenge und autoritäre Trainerin. «Da war sicherlich ein großer Teil eigener Ehrgeiz bei ihr dabei. Aber eben so, dass sie sich verantwortlich fühlte, das Beste gemeinsam mit dem Sportler herauszuholen.» Sie sei eine Trainerin aus Passion gewesen, die «eigentlich nur ans Eiskunstlaufen gedacht und nichts dem Zufall überlassen» habe.
Von Weltklasseathleten gesiezt
Gesiezt hat Witt ihre Lehrmeisterin bis zum Schluss, obwohl sie auch immer eine enge Bezugsperson für sie war. «Jeder fragt uns: ‚Du sagst immer noch Sie?‘ Ja, das werde ich immer! Frau Müller ist für mich immer Frau Müller. Aus Respekt! Und trotzdem ist sie mir ganz nah», hatte Witt beim 90. Geburtstag der Trainerin gesagt.
Die in Chemnitz geborene Jutta Müller führte Witt 1984 und 1988 ebenso zu Olympiasiegen wie 1980 Anett Pötzsch. Zudem holte sie mit ihrer Tochter Gaby Seyfert und Jan Hoffmann jeweils Olympia-Silber und Titel bei Europa- und Weltmeisterschaften. «Ohne sie hätte ich nie diese Weltkarriere erreicht», sagte Witt.
«Viel verlangt und viel gegeben»
Auch Pötzsch hat Müller viel zu verdanken. Obwohl diese als «Eiserne Lady» galt, habe sie ihren Sportlern auch nahe gestanden, sich ihrer Sorgen angenommen. «Was sie in jedem Fall mega vermitteln konnte, war, Ziele zu haben, Durchhaltevermögen und Disziplin. Davon kann man in schwierigen Phasen bis heute profitieren, weil man es ja bereits einmal geschafft hat», sagte Pötzsch der dpa und ergänzte: «Ich bin dankbar, sie an meiner Seite gehabt zu haben.»
«Ich habe viel verlangt und viel gegeben», hatte Müller, die ihre Trainerkarriere 1955 beim SC Karl-Marx-Stadt begann, einmal gesagt. «Ich habe für alles gesorgt. Wir waren eine Einheit.» Witt war stark genug, als Persönlichkeit neben der stets elegant gekleideten Trainerin mit dem schwarzen Dutt heranzuwachsen. Gaby Seyfert fiel es schwerer. Sie fühlte sich in der Tochterrolle an der Seite der starken Jahrhundert-Trainerin nicht immer wohl.
«Sie verkörperte diese Erfolge der DDR, sie wusste, wie man Erfolg produziert», sagte Udo Dönsdorf, früherer DEU-Sportdirektor, über Jutta Müller. «Und das DDR-System war wie für sie gemacht, bot ihr alle Möglichkeiten, weil Eiskunstlauf den Touch des Schillernden hatte.»
Verbundenheit zu Chemnitz
Jutta Müller wurde selbst DDR-Meisterin im Paarlauf. Die Stadt Chemnitz ernannte sie zur Ehrenbürgerin, 2004 wurde sie in die Hall of Fame der Eiskunstläufer aufgenommen. Auch nach dem Ende ihrer Trainerkarriere zog es sie immer noch in die Halle des Chemnitzer Eislauf-Clubs, dem früheren SC Karl-Marx-Stadt. Besonders am Herzen lagen ihr die fünfmaligen Paarlauf-Weltmeister Aljona Savchenko und Robin Szolkowy, die sie oft beim Training besuchte. Und als Savchenko Probleme mit dem dreifachen Salchow bekam, war es Müller, die ihr mit Rat zur Seite stand.
Nach der Wende stand Müller, die als sehr nah zum SED-Regime wahrgenommen wurde, nicht mehr im Rampenlicht. Die einstige Lehrerin für Deutsch, Musik, Mathematik und Sport war 1946 in die Partei eingetreten. «Das DDR-System konnte ja nicht übernommen werden. Das ist mir jetzt klar. Aber es hätte trotzdem weitergehen können. Ich war damals eigentlich verzweifelt, dass diese ganze Supernachwuchsarbeit von heute auf morgen nicht mehr existieren konnte», sagte Jutta Müller später einmal der «Frankfurter Allgemeine Zeitung».
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