Daniel Altmaier weinte hemmungslos, Alexander Zverev erledigte seine eigene emotionale Bewährungsprobe auf dem Unglücksplatz von Paris mit Bravour.
Vier Stunden nach der Sensation durch Altmaier in einem großen Tennis-Drama erreichte der Olympiasieger bei den French Open deutlich lockerer ebenfalls die dritte Runde.
Bei seinem ersten Auftritt auf dem größten Platz im Stade Roland Garros, wo er sich knapp ein Jahr zuvor schwer am Knöchel verletzt hatte, zeigte sich Zverev deutlich verbessert und bezwang den Slowaken Alex Molcan mit 6:4, 6:2, 6:1. Nun muss der 26-Jährige gegen den an Nummer zwölf gesetzten Amerikaner Frances Tiafoe den ersten sportlichen Härtetest bei diesen French Open bestehen. Im Achtelfinale könnte es zum Duell der einzigen verbliebenen deutschen Tennisprofis mit Altmaier kommen.
Altmaiers Überraschungscoup
Der 24 Jahre alte Außenseiter hatte sich nach seinem Überraschungscoup und 5:26 Stunden harter Arbeit gegen den italienischen Titelanwärter Jannik Sinner immer wieder die Tränen aus den Augen gewischt. Dabei genoss er die Ovationen der Zuschauer. Mit «Daniel, Daniel»-Rufen feierte das Publikum den Außenseiter bei den French Open für den Erfolg in einem Fünf-Satz-Krimi mit 6:7 (0:7), 7:6 (9:7), 1:6, 7:6 (7:4), 7:5.
«Ich weiß nicht, ob man das ein historisches Spiel nennen kann. Aber das ist eins, an das man sich erinnern wird», schwärmte Altmaier im Interview auf dem Court Suzanne-Lenglen, nachdem er die Atmosphäre aufgesogen hatte. «Ich liebe Tennis einfach. In den vergangenen Monaten haben mein Team und ich so viel investiert. Dieser Sieg ist eine Teamleistung.»
«Ganz starke Leistung!», gratulierte Legende Boris Becker via Instagram. Nachdem er im vierten Durchgang schon zwei Matchbälle abgewehrt hatte, feierte Altmaier einen der größten Erfolge seiner Karriere. Schon in der ersten Runde der US Open 2022 hatte er Sinner in fünf Sätze gezwungen – damals noch mit dem besseren Ende für den Südtiroler.
Gegen den Bulgaren Grigor Dimitrow geht es für Altmaier nun um den Einzug ins Achtelfinale. «Das ist ein ganz großer Schritt in meiner Karriere. Das wird kurz genossen und dann geht es auch weiter», sagte er angriffslustig. «Für mich bedeutet der Sieg sehr viel. Ich will mich einfach auf dieser großen Bühne zeigen. Die Arbeit haben wir vorher reingesteckt.» Altmaier hat sich ein Team in Argentinien aufgebaut. Dort werde Tennis mehr gearbeitet als in Deutschland, begründet er diesen Schritt.
Zverev spart Kräfte
Während Altmaier das längste Match seines Tennislebens bestritt, konnte Zverev wichtige Kräfte sparen. Im Gegensatz zum lange Zeit engen Erstrundenduell mit dem Südafrikaner Lloyd Harris präsentierte er sich deutlich angriffslustiger. Mit der gewonnenen Aggressivität nahm er Molcan in allen drei Sätzen jeweils sofort den Aufschlag ab. Sein eigenes Service gab der frühere Weltranglistenzweite im kompletten Match keinmal ab, so dass er einen ungefährdeten Sieg bejubeln durfte.
«Er spielt befreit, positiver, druckvoller, als hätte er die Fesseln losgelassen. Vielleicht liegt es daran, dass er erstmal wieder auf diesem verrückten Platz steht», sagte Eurosport-Experte Becker in Erinnerung an das Halbfinal-Drama gegen Rafael Nadal.
Wie Altmaier setzt auch Yannick Hanfmann auf einen argentinischen Coach, konnte seinem Davis-Cup-Kollegen aber nicht in die dritte Runde folgen. Der 31 Jahre alte Karlsruher unterlag am Abend dem Argentinier Francisco Cerúndolo mit 3:6, 3:6, 4:6. Hanfmann konnte nicht an die starke Leistung beim kräftezehrenden Fünf-Satz-Erfolg in der ersten Runde anknüpfen.
Zuvor war Anna-Lena Friedsam als letzte deutsche Starterin in der Damenkonkurrenz in der zweiten Runde gescheitert. Die 29-Jährige aus Andernach unterlag der Russin Jekaterina Alexandrowa nach nur 62 Minuten mit 2:6, 0:6 und blieb dabei weitgehend chancenlos.
Altmaier startete stabil, lag zeitweise mit einem Break 4:3 vorn. Nachdem er den Tiebreak zu null verloren hatte, ließ er sich länger am Mittelfinger der linken Hand behandeln. Die Eistherapie half, nervenstark verwandelte Altmaier nach mehr als zwei Stunden die fünfte Chance zum Gewinn des zweiten Satzes per Überkopfball.
Sinner beginnt stark, Altmaier triumphiert
Sinner wirkte angreifbar, drehte jedoch zunächst stark auf. In nur 27 Minuten war der dritte Satz aus Sicht von Altmaier weg. Er sehe sein erst zweites Zweitrunden-Spiel keinesfalls als Bonus, hatte Altmaier vor der Partie betont. «Wenn das Belohnung wäre, bräuchte ich gar nicht auf den Platz gehen.»
Und auch im vierten Durchgang zeigte er weiter großen Kampfgeist. Doch erneut konnte der Weltranglisten-79. den Vorsprung eines Breaks nicht nutzen. Per Netzroller wehrte Altmaier noch etwas glücklich den ersten Matchball ab. «So ist Tennis, so ist Fußball, so ist der Sport. Am Ende war ich der glückliche Gewinner», sagte er. Altmaier rettete sich in den Tiebreak und holte sich den Satz mit einem feinen Volleystopp – 90 Minuten dauerte alleine dieser Durchgang.
Im fünften Durchgang schlug er beim Stand von 5:4 zum Sieg auf, plötzlich flatterten die Nerven. Doch erneut nahm er Sinner den Aufschlag ab – bei vier Matchbällen war Altmaier ein Zittern im Arm deutlich anzumerken. Nach dem Ass zum großen Sieg war die Freude dann grenzenlos.
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