Nach seinem geschichtsträchtigen Snooker-Coup zeigte Luca Brecel große Emotionen. Im sonst oft unterkühlten Gentleman-Sport freute sich der Außenseiter authentisch und beinahe kindlich über den ersten WM-Titel, den er für sein Heimatland Belgien holte. Brecel breitete beide Arme aus, zeigte stolz die Faust und begann noch vor der Siegerehrung im altehrwürdigen Crucible Theatre zu weinen.
«Es wird explodieren in Belgien. Ich wollte unbedingt, dass das passiert. Ich wollte das unbedingt für Belgien schaffen», sagte der 28-Jährige, nachdem er Englands Favorit Mark Selby mit 18:15 im Endspiel bezwungen hatte.
Kein Brite auf dem Snooker-Thron von Sheffield, das gab es in der Billard-Variante zuletzt vor 13 Jahren. Und Brecel, der zuvor stets in der ersten WM-Runde ausgeschieden war, ist ein würdiger Champion: Erst ein Sieg über den dreimaligen Weltmeister Mark Williams, dann ein Sieg über den siebenmaligen Champion Ronnie O’Sullivan und zum Abschluss die Krönung im Finale gegen Selby, der seinerseits Titel Nummer fünf verpasste.
Lob bekam der Sieger von allerhöchster Stelle. «Niemand spielt wie Luca. Er spielt fantastisch. Die Fans lieben ihn. Er ist wie Michael van Gerwen, der Darts-Spieler. Er ist schnell und dynamisch. Wie er spielt, das kann man nicht lernen», sagte O’Sullivan über seinen Weltmeister-Nachfolger aus Belgien. «The Rocket», wie O’Sullivan genannt wird, konnte sich selbst davon überzeugen, wie reif und druckvoll Brecel derzeit agiert: Er verlor sein Viertelfinale mit 10:13, nachdem er schon mit 10:6 geführt hatte.
Jubel in der Heimat
«Er ist der Spieler des Turniers. Er hat es verdient, dass sein Name auf der Trophäe steht. Niemand kann so viel mit dem Queue wie er», lobte O’Sullivan bei Eurosport. Auch in seiner Heimat Belgien wurde Brecel gefeiert. «Der neue Rockstar im Snooker», titelte der Sender RTBF. Die Zeitung «La Dernière Heure» schrieb: «Mit seinem charakteristischen Spielstil, den er als «alles oder nichts» bezeichnet, ist Luca Brecel fähig zu… allem!»
Der neue Weltmeister posierte mit dem silbernen Pokal im Konfettiregen – seine Partnerin Laura und seine Eltern hatten sich um den riesigen grünen Snooker-Tisch platziert. Wieder flossen Tränen. «Ich habe das beste Team. Die besten Eltern, die beste Freundin, die besten Freunde: Das macht mich stark. Ohne so ein Team ist es schwer, dein bestes Snooker zu spielen», sagte Brecel. Seinem Finalgegner Selby und dessen Frau sprach er Mut zu. «Bleibt stark», rief Brecel. Selby hatte psychische Probleme öffentlich gemacht und auch über eigene Selbstmordgedanken gesprochen.
Schwerer Weg zum Titel
Der belgische Außenseiter bot die ganze WM über großes Spektakel. Runde eins überstand er gegen Ricky Walden mit viel Mühe und 10:9. «Snooker ist ein schwerer Sport. Ich hätte auch hier gegen Ricky Walden verlieren können – dann hätte jeder gesagt, schon wieder hat er in der ersten Runde verloren», erinnerte sich Brecel. Das Publikum lachte.
«Der Weg zu diesem Titel war ein Weg mit alternativen Taktiken, großartigen Comebacks und bedingungsloser Unterstützung», schrieb das belgische Portal «Sporza». So folgten vier weitere große Auftritte – inklusive eines Comebacks im Halbfinale nach 5:14-Rückstand. «Das war sicherlich zum Teil die Abteilung ‚Frechheit siegt‘, aber das zeigt auch das Potenzial von Luca», sagte Kommentator Rolf Kalb der Deutschen Presse-Agentur über den neuen Weltmeister. Die Leistung und den Weg des Siegers nannte er «beeindruckend».
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