23. November 2024

Sport Express

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Flicks Süle-Rüge und Völlers Ansage

Hansi Flick versammelt das Nationalteam in Frankfurt für die letzten Länderspiele der Saison. Einige kommen als Titelgewinner, andere gefrustet - und einer ist ein Jahr vor der Heim-EM erstmal raus.

Hansi Flick will seine Mannschaft auf dem Weg zur Heim-EM 2024 «eher noch mehr schützen» als bislang praktiziert.

Öffentliche Kritik sei «in aller Regel nicht mein Weg». Aber das hindert den Bundestrainer nicht an einer erstaunlichen Muster-Rüge. Vor dem Treffpunkt des DFB-Kaders im Teamhotel Gravenbruch außerhalb von Frankfurt/Main begründete Flick öffentlichkeitswirksam via «Frankfurter Allgemeine Zeitung» den erneuten Verzicht auf den viele Jahre im Nationalteam gesetzten Dortmunder Abwehrhünen Niklas Süle. Die verbale Schelte sollte aber auch anderen hoch veranlagten Profis wie Bayerns Leroy Sané ein Jahr vor der Europameisterschaft eine Warnung sein.   

Flick hat 100-Kilo-Mann Süle für das 1000. Länderspiel am kommenden Montag (18.00 Uhr/ZDF) in Bremen sowie die anschließenden Tests in Warschau gegen Polen und zum Saisonabschluss in Gelsenkirchen gegen Kolumbien wieder nicht nominiert; im Gegensatz zum ebenfalls 27 Jahre alten Sané. Der Münchner ist nach der verordneten Auszeit im März gegen Peru (2:0) und gegen Belgien (2:3) diesmal wieder im Elitekreis dabei. 

«Lässt noch einiges liegen»

«Ich finde, er lässt noch einiges liegen. Ich will, dass er von seiner Einstellung, von seiner Mentalität einen Schritt nach vorne macht», sagte Flick zu Süle, der seit seinem A-Team-Debüt vor sieben Jahren auf 45 Länderspieleinsätze kommt. Bei den drei jüngsten deutschen Turnierflops – WM 2018, EM 2021, WM 2022 – war der Verteidiger jeweils dabei.

Flicks Kernaussage lautet: Potenzial genügt nicht fürs EM-Ticket. Die Spieler müssen es auch konstant ausschöpfen. «Für mich könnte Niki einer der besten Innenverteidiger sein, die es gibt. Sein Potenzial ist riesig», sagte Flick. Bei der WM in Katar, wo Süle in allen drei Spielen bis zum frühen Vorrunden-Aus in der Startelf stand, war Flick mit dem Abwehrspieler «zu 90 Prozent zufrieden», wie er jetzt sagte. «Aber die zehn Prozent, die fehlen, die machen es eben aus. Um die geht’s mir», sagte der Bundestrainer. Seine Geduld war aufgebraucht.

Milan-Verteidiger Thiaw im Aufgebot

Statt Süle hat Flick darum auch jetzt lieber wieder den hochbegabten Ex-Schalker Malick Thiaw vom AC Mailand eingeladen, der einzige Akteur ohne Länderspieleinsatz im Kader. Jeder Spieler sollte den Anspruch haben, «das Maximum aus seinem Potenzial zu machen», mahnte Flick: «Mit weniger durchkommen – das entspricht nicht meiner Mentalität.» 

Schließlich muss er mit der Nationalelf bei der Heim-EM in zwölf Monaten liefern – und am besten auch schon auf dem Weg dahin. Flick will «ergebnisorientierter werden» und «mit Blick auf die EM jetzt auch eine gewisse personelle Stabilität» schaffen, wie er im FAZ-Interview ankündigte. Im Teamhotel erwartete er am Mittwoch Spieler, die teilweise aus einem Kurzurlaub anreisten, zum Teil im Titelglück wie die Münchner Meister und die Leipziger Pokalsieger um Timo Werner, aber eben auch frustriert wie das Dortmunder Quartett um Emre Can und Julian Brandt nach der dramatisch verpassten Meisterschaft. 

Völler mahnt

Vier Akteure, darunter die Champions-League-Finalisten Ilkay Gündogan (Manchester City) und Rückkehrer Robin Gosens (Inter Mailand), werden erst später anreisen. Von DFB-Sportdirektor Rudi Völler gab es vorab ebenfalls eine Ansage. «Es ist wichtig, dass jeder, der dabei ist, auch nach der Saison nochmal eine Schippe drauflegt», mahnte der 63 Jahre alte Ex-Teamchef. 

Flick war bemüht, die Motivation zu schüren. «Im 1000. Länderspiel gegen die Ukraine dabei sein zu dürfen, ist für jeden Spieler etwas Besonderes», meinte der Bundestrainer. Er sprach von «drei starken Gegnern». Nach dem großen Neulings-Casting im Frühjahr kündigte er diesmal einen Systemwechsel an. Er will in der Abwehr die Dreierkette erproben – aber ohne Süle. Ein größerer Denkzettel ein Jahr vor dem EM-Eröffnungsspiel geht kaum. 

Von Klaus Bergmann, dpa