22. November 2024

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Flicks Bundestrainer-Premiere ohne Neuer und Müller

9:1, 8:2, 6:0, 4:0: Die Ergebnisliste gegen Liechtenstein dient als Vorgabe für die Ouvertüre des Nationalteam-Fußballs «Made by Hansi Flick». Anführer Müller fällt aus - und das nicht nur in St. Gallen.

Das Premierenfieber ist bei Hansi Flick auch gegen den Fußball-Winzling Liechtenstein hoch.

Natürlich muss der neue Bundestrainer auch ohne die Führungskräfte Manuel Neuer und Thomas Müller, die er für Donnerstag (20.45 Uhr/RTL) im Kybunpark von St. Gallen von der Besetzungsliste streichen muss, höchstens über die Höhe seines Einstandssieges beim Neuanfang der Nationalmannschaft nach zwei Turnier-Flops rätseln. Aber aufregend wird der Abend schon für den Mann, der als Coach mit dem FC Bayern München alle Trophäen abräumte.

«Es ist mein erstes Länderspiel als Cheftrainer, als Bundestrainer, da ist der Gegner egal», bemerkte Flick in Stuttgart vor der dreistündigen Busfahrt in die Schweiz zu seiner Gefühlslage. Die Aufbruchstimmung soll weiter geschürt werden: «Ein guter Anfang braucht Begeisterung.» Flick möchte ein ganzes Land mitreißen.

Ziel: Deutlicher Sieg

Beim Neuanfang mit der dringend benötigten Aufholjagd in der WM-Qualifikationsgruppe sind neun Punkte fest eingeplant. Aber die in den letzten Löw-Jahren meist enttäuschten Fans werden vor den TV-Geräten auch ganz genau auf die B-Note für den künstlerischen Wert des versprochenen Power-Fußballs «Made by Hansi» achten.

«Das Land guckt auf uns. Es wird wichtig sein, dass wir einen deutlichen Sieg einfahren und die Art und Weise stimmt», sagte Joshua Kimmich, der nach den Ausfällen der Münchner Leitwölfe Neuer und Müller die DFB-Auswahl womöglich als Kapitän anführen darf.

Flick dachte «unter der Dusche» schon mal nach, wem er die Binde überträgt. Das kleine Geheimnis wollte er aber noch nicht lüften. Den 26-jährigen Kimmich, der bei ihm «definitiv» wieder auf der Sechs im Zentrum spielen wird, ist ein Kandidat. «Er ist auf dem Feld der Leader, den man braucht», sagte Flick. Kimmich sei ein «Vorbild».

Neuer wird geschont

Teamsenior Neuer (35) wird wegen seiner Kapselblessur am rechten Fuß aus Gründen der Belastungssteuerung im ersten Länderspiel nach der missglückten Europameisterschaft geschont. Deutschlands Nummer 1 wird eher am Sonntag gegen Tabellenführer Armenien sowie drei Tage später gegen Island gebraucht. Da rechnet Flick mit Neuer. Im Premierenspiel unter Flick darf Bernd Leno vom FC Arsenal im Tor stehen.

Müller wird wegen einer Adduktorenverletzung gleich alle drei Partien verpassen. Der 31 Jahre alte Angreifer reist zurück nach München, wo für ihn mit dem FC Bayern nach der Länderspielphase die wichtigen Partien gegen RB Leipzig in der Bundesliga und den FC Barcelona zum Start der Champions-League-Gruppenphase anstehen. Mit «heißer Nadel» hätte man womöglich einen Einsatz Müllers auf Island hinbekommen, berichtete Flick. Müllers Ausfall durchkreuzt seine Anfangspläne.

Der Weltmeister von 2014 soll im Nationaltrikot wie zuletzt beim FC Bayern quasi Flicks Spielertrainer auf dem Platz sein. «Thomas ist für jede Mannschaft ein Gewinn, weil er Verantwortung übernimmt und eine Mannschaft führen kann», sagte Flick. Und nun? «Wir haben genug Spieler an Bord und können ihn ersetzen», sagte Flick pragmatisch. Dortmunds Kapitän Marco Reus könnte bei seinem Länderspiel-Comeback nach knapp zwei Jahren nun auf der Zehn die Offensive anführen.

Flick positiv gestimmt

9:1, 8:2, 6:0, 4:0: Die wenn auch absteigende Ergebniskurve in den wenigen Länderspielen gegen Liechtenstein liefert den Anhaltspunkt für das fünfte Rendezvous der ungleichen Fußball-Nationen. Tore, Tempo, Spaß stehen auf dem Programm. Flick ist positiv gestimmt. «Ich habe in den Trainingseinheiten das gesehen, was ich mir vorgestellt habe. Die Mannschaft zerreißt sich für Deutschland», schwärmte er.

Havertz, Reus, Gnabry und Co. sollen vorne Betrieb machen. «Nicht lange fackeln und das Tor erzielen», lautet Kimmichs Chef-Ansage. Er will als Titelkandidat 2022 zur WM nach Katar reisen. Mit der WM 2018 und der EM 2021 habe man schon «zwei Turniere in den Sand gesetzt».

Für Oliver Bierhoff markiert das 979. Länderspiel der DFB-Auswahl eine neue Stunde null. «Es ist ein Neuanfang, wir starten bei null», sagte der DFB-Direktor am Mittwoch. Der 53-Jährige nimmt sich in den ersten Tagen des Neuanfangs öffentlich zurück. «Es ist Hansis Bühne gerade», begründete Bierhoff. Eine sportliche Vorgabe machte er als Flicks Chef dennoch. «Die direkte Qualifikation ist klares Ziel, auch wenn wir in der Gruppe nur Dritter sind. Da wollen wir die Position wieder klarstellen», sagte Bierhoff mit Blick auf Platz eins.

Liechtenstein Weltranglisten-189.

Für Liechtenstein ist das 205. Länderspiel seiner Geschichte der Höhepunkt des Jahres. In der FIFA-Weltrangliste belegt die Auswahl des Fürstentums Platz 189, hinter Bangladesch und vor dem Kleinstaat Brunei. 0:1 gegen Armenien, 0:5 in Nordmazedonien und 1:4 gegen Island lauteten die bisherigen Ergebnisse des No-name-Teams von Trainer Martin Stocklasa (42). Nur 15 Mal gingen Liechtensteins beste Kicker als Sieger vom Platz. 88 Tore konnten sie bejubeln – gleich 582 Mal landete der Ball dagegen im eigenen Tor.

Wegen der Sanierung des Spielfeldes im Rheinpark Stadion von Vaduz muss der krasse Außenseiter nach St. Gallen ausweichen. Auch der minimale Heimvorteil ist damit futsch. «Natürlich hätten wir gegen Deutschland gerne in Vaduz gespielt – ein Heimspiel im Rheinpark hat immer etwas Magisches», sagte Verbandsgeneralsekretär Peter Jehle.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Liechtenstein: Büchel (FC Vaduz/32 Jahre/35 Länderspiele) – Sandro Wolfinger (FC Balzers/30/42), Malin (Rot-Weiß Rankweil/27/27), Kaufmann (USV Eschen/Mauren/30/61), Hofer (FC Biel/23/15), Göppel (USV Eschen-Mauren/24/41) – Sele (Chur 97/24/29) – Yanik Frick (Pont Donnaz Hone Arnad/23/19), Hasler (FC Thun/30/75), Fabio Wolfinger (FC Balzers/25/10) – Noah Frick (Brühl St. Gallen/19/8)

Deutschland: Leno (FC Arsenal/29/8) – Baku (VfL Wolfsburg/23/1), Süle (FC Bayern München/25/31), Rüdiger (FC Chelsea/28/45), Gosens (Atalanta Bergamo/27/11) – Kimmich (FC Bayern München/26/59), Goretzka (FC Bayern München/26/35) – Gnabry/FC Bayern München/26/26), Reus (Borussia Dortmund/32/44), Sané (FC Bayern Münnchen/25/34) – Havertz (FC Chelsea/22/18)

Schiedsrichter: Fabio Verissimo (Portugal)

Von Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa