Hansi Flick bekommt eine zweite Chance als Bundestrainer. Wie sein Vorgänger Joachim Löw nach dem historischen WM-Debakel 2018 in Russland darf auch der 57-Jährige trotz des K.o. in der Gruppenphase in Katar weitermachen.
Das Luxushotel vor den Toren Frankfurts verließ Flick am frühen Mittwochabend nach dem Krisengespräch mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf und DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke aber mit einem Aufgabenkatalog. Flick muss die Heim-Europameisterschaft 2024 für die Fußball-Nationalmannschaft zu einem Erfolg werden lassen. Diese Dinge muss er jetzt angehen:
Gespräche mit Führungsspielern
Noch hat keiner der 26 WM-Spieler seinen Rücktritt erklärt. Auch nicht die langjährigen Flick-Wegbegleiter Manuel Neuer (36) und Thomas Müller (33). Ilkay Gündogan (32) zögert ebenfalls. Geht keiner der Routiniers aus freien Stücken, wird Flick möglicherweise unliebsame, gar schmerzhafte Entscheidungen treffen müssen.
Ein Festhalten an den DFB-Veteranen könnte ihm als Beharren an alten Kräften ausgelegt werden. Ein Signal für die Zukunft wäre es nicht. Zu dieser Kategorie gehört auch Marco Reus (33), der die WM nach einer Verletzung verpasste, den Flick aber sehr schätzt.
In Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Niklas Süle (alle 27) und Antonio Rüdiger (29) steht die nächste Generation nun voll in der Verantwortung. Flick wird sie endlich auch auf der großen Nationalmannschafts-Bühne titeltauglich machen müssen. Der Bundestrainer selbst hatte die WM durchaus schon als personelles Zukunftsprojekt genutzt. In Verteidiger Armel Bella Kotchap (20), Karim Adeyemi (20) und Youssoufa Moukoko (18) hatte er Perspektivspieler zum Lernen mit nach Katar genommen. Diese Jungprofis muss Flick nun weiter heranführen.
Emanzipation von Bierhoff
Oliver Bierhoff ist weg. Hansi Flick steht jetzt zunächst alleine da, bis ein neuer Sportdirektor oder Teammanager vom DFB verpflichtet ist. Sein emotional beladenes Statement zum Abschied Bierhoffs machte nicht den Eindruck, als könne er sich eine enge Zusammenarbeit mit einem bislang nicht ernannten Nachfolger problemlos vorstellen.
Dass die Chemie dann irgendwann so gut stimmt, wie mit dem langjährigen Vertrauten, ist kein Automatismus. Flick wird eine selbstbewusstere Rolle einnehmen, möglicherweise auch in organisatorischen Fragen nach außen mehr Profil zeigen müssen.
EM-Euphorie wecken
Wie will Flick die Fans wieder hinter dem Team vereinen? Natürlich gelingt so etwas am ehesten mit attraktivem Fußball und Siegen, so, wie es bei seinem Rekordstart als Bundestrainer mit acht Erfolgen der Fall war. Aber auch eine Öffnung, mehr Nahbarkeit und weniger Abschottung sind dringend angesagt.
Öffentliche Trainingseinheiten vor Heimspielen, in der Vergangenheit eine absolute Rarität, könnten auch ein probates Mittel sein. Tausende Fans – gerade auch Kinder – strömten in der Vergangenheit in die Stadien, um die Nationalspieler zu sehen, um Autogramme und Selfies zu bekommen.
Titeltauglichkeit herstellen
Flick denkt auch nach dem WM-Scheitern weiterhin groß. Er blicke mit seinem Trainerteam «optimistisch» auf die Europameisterschaft im eigenen Land, ließ er via DFB-Mitteilung wissen. «Wir als Mannschaft können viel mehr erreichen, als wir in Katar gezeigt haben. Wir haben dort eine große Chance verpasst», lautete sein WM-Fazit.
Auch er verpasste Chancen. Die Chance, vor Turnierbeginn eine Elf einzuspielen. Oder sich auf Schlüsselpositionen klar festzulegen. Und anders als vor der WM in Katar, die mitten in der Saison stattfindet, hat er in anderthalb Jahren ausreichend Zeit, den EM-Kader in einem Trainingslager bestens auf die Heim-EM vorzubereiten. Diese beginnt für die DFB-Auswahl am 14. Juni 2024 mit dem Eröffnungsspiel in der garantiert ausverkauften Münchner Allianz Arena.
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