Magnus Carlsen ist 31 Jahre alt, doch im ersten Interview nach dem jüngsten Schach-Eklat wirkte der Weltmeister wie ein bockiger Teenager.
Im Videocall mit dem Portal «chess24» vermied Carlsen den Blick in die Kamera, er stöhnte beim hartnäckigen Nachhaken der Moderatorin Kaja Snare leicht auf und gab fast schon trotzige Antworten auf Fragen, die sich zurzeit die ganze Schach-Welt stellt.
«Ich werde das nicht kommentieren», sagte der Norweger auf die konkrete Nachfrage, ob er bei seinem Kontrahenten Hans Niemann Betrug vermute. Immerhin stellte Carlsen in Aussicht, nach dem online durchgeführten «Julius Bär Generation Cup» Licht ins Dunkel zu bringen: «Ich hoffe, dass ich nach dem Turnier etwas mehr sagen kann.»
Carlsen löst Spekulationen in der Schach-Welt aus
Seit der Weltranglistenerste am vergangenen Montag im Duell gegen den 19-jährigen Niemann nach nur einem Zug aufgab und demonstrativ seine Kamera abschaltete, ist die Schach-Szene in heller Aufruhr. Schon bei seiner Niederlage am Brett gegen den US-Großmeister Niemann vor zwei Wochen im amerikanischen St. Louis hatte Carlsen mit seinem Verhalten Spekulationen ausgelöst, dass er beim Gegner Betrug vermute.
Er zog sich erstmals in seiner Karriere von einem Turnier zurück und twitterte eine frühere Aussage des portugiesischen Fußballtrainers José Mourinho: «Ich ziehe es vor, nichts zu sagen. Wenn ich etwas sage, komme ich in große Schwierigkeiten, und ich möchte nicht in große Schwierigkeiten kommen.»
Auch im Interview mit «chess24» blieb der Superstar vage – zwischen den Zeilen war dennoch einiges herauszulesen. So zeigte sich Carlsen von Niemanns Spiel zwar «beeindruckt», doch im Nebensatz lobte er dessen Mentor Maxim Dlugy, der offenbar einen «großartigen Job» mache. Der konkreten Nachfrage der Moderatorin, ob er meine, der 56 Jahre alte US-Großmeister gebe seinem Schützling versteckte Hinweise, wich Carlsen wieder aus: «Ich werde zu dem Thema nichts sagen.»
Niemann, der während der Pandemiezeit in der Weltrangliste in kurzer Zeit um 150 Plätze aufstieg, hatte zuletzt zugegeben, als Teenager zweimal im Alter von zwölf und 16 Jahren bei Online-Partien betrogen zu haben, nie jedoch in Präsenz am Schachbrett. Für Carlsen gibt es da keinen Unterschied. Mit Betrug dürfe nicht leichtfertig umgegangen werden, «weder online noch am Brett», sagte der Weltmeister.
Er könne verstehen, dass es gerade bei Internet-Turnieren «verführerisch» sei, «aber ich würde es nicht empfehlen». Ob die Veranstalter und der Schach-Weltverband Fide seiner Meinung nach genug gegen Manipulation tun würden, konnte oder wollte Carlsen nicht beantworten: «Das ist schwer zu sagen.»
Houska: «Er muss sagen: Hier ist mein Beweis»
Fakt ist: Der Fall und die Andeutungen werden das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Carlsen und dem Weltverband sowie weiten Teilen der Schachwelt nicht verbessern. Das Schach-Genie, das schon im Alter von 13 Jahren den Titel eines Großmeisters errang, beanspruchte schon in der Vergangenheit Sonderwege für sich und stieß damit viele vor den Kopf. Manche meinen gar: Der Schach-König halte sich für unantastbar.
Seine aktuelle Fehde mit Niemann stößt in der Szene aber auf große Kritik, zumal Beweise für einen Betrug seines Widersachers nicht vorliegen. Carlsen könne nicht einfach «eine Hexenjagd provozieren», sagte die britische Großmeisterin Jovanka Houska, sie forderte: «Er muss sagen: Hier ist mein Beweis.»
Carlsen tut zumindest so, als perle die Kritik komplett an ihm ab. «Ich bin okay», sagte er fast gelangweilt, «ich lebe mein Leben».
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