23. November 2024

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FC St. Pauli: Rasanter Aufstieg mit Grußbotschaft

In der Vorsaison Vorletzter, jetzt Erster und punktbester Zweitligist im Kalenderjahr 2021. Sportlich überrascht der FC St. Pauli. Auch abseits des Platzes bleibt er sich treu.

Wo der FC St. Pauli sportlich steht, ist aktuell oben. Die Hamburger thronen an der Tabellenspitze der 2. Fußball-Bundesliga. Das ist eine Überraschung. Keine Überraschung ist indes: Wo der Kiezclub steht, ist links.

Die Bandenwerbung «Der FC St. Pauli grüßt den Flyerservice Hahn» während des Spiels gegen Dynamo Dresden (3:0) scheint unspektakulär, nimmt aber Bezug auf eine Künstler-Aktion gegen die rechtspopulistische AfD. Zu den Hintergründen der Werbebande äußerte sich der Verein nicht weiter und verwies darauf, dass diese für sich stehe. Zuvor hatten das «Hamburger Abendblatt» und die «Hamburger Morgenpost» darüber berichtet.

Ein Gruß an die Flyervernichter

Der Gruß gilt einer Künstlergruppe, die sich «Zentrum für politische Schönheit» (ZPS) nennt. Diese hatte nach eigenen Angaben den Flyerservice Hahn ins Leben gerufen und im Wahlkampf der AfD angeboten, als Dienstleister Werbematerial für sie zu verteilen. Anstatt das Material zu verteilen, habe man die fünf Millionen Flyer von verschiedenen Kreisverbänden der Partei gesammelt, um sie später zu entsorgen, hatte das ZPS am 28. September mitgeteilt. Die AfD sprach von einem «erheblichen Schaden für die Demokratie» und hat Strafanzeige gestellt.

Den Flyerservice Hahn selbst habe der FC St. Pauli aber nicht initiiert, heißt es aus dem Umfeld des Vereins. Weder sei das «Zentrum für politische Schönheit» in irgendeiner Weise im Verein verankert, noch habe sich der FC St. Pauli beteiligt. Einen Gruß an die Flyervernichter war die Aktion dem Verein aber allemal wert.

Spielstarke Hanseaten

Für Aufsehen sorgt auch der sportliche Werdegang der Kiezkicker: Von 17 auf 1, vom Abstiegskandidaten zum Bundesliga-Aspiranten saisonübergreifend in weniger als neun Monaten. Zwar steht beim punktbesten Zweitligisten des Kalenderjahres 2021 der Gedanke an das Oberhaus offiziell auf dem Index, dafür sprechen andere. «Der Aufstieg in die Bundesliga führt in dieser Saison über den FC St. Pauli», lobte nach dem beeindruckenden 3:0 Trainer Alexander Schmidt von Gegner Dynamo Dresden die spielstarken Hanseaten. In der Vorwoche hatte Karlsruhes Christian Eichner vom «Hochkaräter» gesprochen, der das Zeug habe, bis zum Ende im Aufstiegsrennen dabei zu sein.

«Der Kollege kann sagen, was er will», meinte St. Pauli-Coach Timo Schultz scheinbar gleichgültig. Aber natürlich sei es ihm «tausendmal lieber, wenn man uns mit dem Aufstieg als mit dem Abstieg in Verbindung bringt», betonte der 45-Jährige. Dann kamen die Dresdner, die dem HSV (1:1) und Werder Bremen (3:0) wichtige Punkte genommen hatten – und waren absolut chancenlos. «St. Pauli hat eine unheimliche Wucht, wir waren beeindruckt, wie der Gegner hier herausgekommen ist», meinte Schmidt.

Vereins-Startrekord

Dabei sah es zum selben Zeitpunkt der vergangenen Saison ganz anders aus. Der Kiezclub war nach neun Spieltagen Vorletzter. Die Wende gelang erst am 16. Spieltag mit dem 3:2 bei Hannover 96. Seitdem holte St. Pauli aus 31 Partien stolze 58 Punkte – so viele wie kein anderes Team der 2. Liga.

Es habe sich bewährt, dass St. Pauli am Trainer festgehalten habe, sagte Christopher Buchtmann, der seit 2012 für den Club spielt. Schultz habe «einen Plan, den wir konsequent umsetzen und bei dem alle mitziehen», urteilte der dienstälteste St.-Pauli-Profi. Die fünf Heimsiege in Serie bedeuten einen Vereins-Startrekord.

Trotzdem will Schultz, seit 2005 im Verein als Profi, dann als Nachwuchs- und Chefcoach tätig, seinen Stil durchziehen und fest auf dem Boden bleiben. «Ich kann die Tabelle lesen. Es fühlt sich für mich auch sehr gut an, Spitzenreiter zu sein», sagte der 45-Jährige, der von Präsident Oke Göttlich und Sportchef Andreas Bornemann gestützt wurde, als es schlecht lief. «Ich liebe Euphorie und verbiete keinem das Träumen, solange er das Arbeiten nicht vergisst.»

Von Thomas Prüfer und Franko Koitzsch, dpa