24. November 2024

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Fall Peng: WTA-Chef Simon droht mit Rückzug aus China

Der Fall der Chinesin Peng Shuai sorgt zunehmend für Besorgnis und Forderungen nach Aufklärung. Die WTA droht mit Konsequenzen. «Wir dürfen nicht schweigen», meint US-Tennisstar Serena Williams.

In der Debatte um die als vermisst geltende chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai wächst die Entrüstung und verschärft sich der Ton. Weltweit wird die Aufklärung des Verschwindens der früheren Wimbledon- und French-Open-Siegerin im Doppel gefordert.

Die Organisation im Damen-Tennis drohte als Konsequenz mit dem kompletten Rückzug der WTA-Tour aus China, falls die Führung in Peking nicht Licht ins Dunkel bringt. «Wir sind definitiv dazu bereit, unsere Aktivitäten zu beenden, mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt», versicherte WTA-Chef Steve Simon in einem CNN-Interview. Die Vorwürfe in Bezug auf Peng Shuai seien «größer als das Geschäft», sagte der WTA-Chef am Donnerstag (Ortszeit).

Sorgen über den Verbleib von Peng Shuai

Peng Shuai hatte Anfang November im sozialen Netzwerk Weibo Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs durch einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht. Seither ist die 35-Jährige nicht mehr öffentlich gesehen worden und gilt als verschwunden. Chinas Zensur streicht jede Debatte über den Fall. Suchen nach ihrem Namen oder nach #MeToo im chinesischen Internet sind geblockt.

Am Freitagabend veröffentlichte ein Journalist des staatlichen TV-Senders CGTN über seinen Twitter-Account Bilder des chinesischen Tennisstars. Er schrieb, dass es sich dabei um Fotos handele, die Peng am gleichen Tag auf ihrem Profil im chinesischen Nachrichtendienst Wechat veröffentlich habe. Ein Freund habe die Fotos und einen Screenshot des Postings geteilt, das mit den Worten «Schönes Wochenende» versehen war, twitterte der CGTN-Journalist Shen Shiwei. Auf den Bildern war Peng zu sehen, wie sie auf einem roten Teppich mit einer Katze spielt. Auf einem anderen Foto hielt sie eine Panda-Figur und lächelte in die Kamera. Wann und unter welchen Umständen die Bilder gemacht worden sind, ließ sich zunächst nicht klären.

Rund zweieinhalb Monate vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking wird durch den die Debatte über Menschenrechte in China befeuert. Das Internationale Olympische Komitee lehnte es am Freitag ab, den Fall expliziter zu kommentieren: Die Erfahrung zeige, dass ruhige Diplomatie die beste Möglichkeit biete, in solchen Fragen eine Lösung zu finden, hieß es in einer Mail an die Nachrichtenagentur AP. «Das IOC duckt sich leider wie gewohnt weg», kritisierte SPD-Politikerin Dagmar Freitag in der «TZ» und im «Münchner Merkur» (Wochenendausgabe).

Auch die «Athleten Deutschland» nehmen das IOC gerade wegen der Olympischen und Paralympischen Spiele in Peking in die Pflicht. «Wir sehen das IOC in der Verantwortung, seiner menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht gerecht zu werden und sich gegenüber der chinesischen Regierung für Peng Shuais Sicherheit einzusetzen», teilte der Verein mit. «Peng Shuai muss die Möglichkeit gewährt werden, sich frei und ohne Zwang zu den Vorkommnissen zu äußern», hieß es. Mit Sorge reagierte der Deutsche Olympische Sportbund auf das Verschwinden der 35 Jahre alten früheren Nummer eins der Doppel-Weltrangliste: «Es braucht Klarheit über ihr Wohlergehen und ihren aktuellen Zustand.»

UN-Menschenrechtsbüro fordert Untersuchung

Der Fall zieht immer weitere Kreise und beschäftigt auch das UN-Menschenrechtsbüro. Die Sprecherin, Liz Throssell, forderte am Freitag in Genf, eine Untersuchung der Vorwürfe sexueller Übergriffe mit «voller Transparenz».

China gilt als sehr wichtiger Standort im Damen-Tennis. 2018 wurde das Saisonabschluss-Turnier der besten acht Spielerinnen der Saison für die Jahre von 2019 bis 2028 an die chinesische Stadt Shenzhen vergeben und das Preisgeld von sieben Millionen US-Dollar auf 14 Millionen verdoppelt. Wegen der Coronavirus-Pandemie konnte in den vergangenen beiden Jahren allerdings nicht in China gespielt werden.

Die Echtheit einer angeblichen Mail von Peng hatte die WTA erheblich angezweifelt. Chinas staatliches Auslandsfernsehen CGTN hatte eine Mail veröffentlicht, die der Tennisstar selbst geschrieben haben und an den WTA-Chef Simon geschickt haben soll. Die Berichte über sie, «einschließlich des Vorwurfs der sexuellen Nötigung», seien «nicht wahr», hieß es darin. Ihr gehe es gut. Die WTA teilte darauf hin mit, dass ihre Besorgnis dadurch wachse. «Frauen müssen respektiert und dürfen nicht zensiert werden», verlangte Simon bei CNN.

Die Männer-Tennis-Organisation ATP schrieb, dass die Entwicklung im Fall Peng Shuai «äußerst beunruhigend» sei und: «Diese Angelegenheit ist größer als Tennis.» Der ATP-Vorsitzende Andrea Gaudenzi hat nach Angaben der Organisation gesagt: «Ihre Sicherheit ist unsere unmittelbare Sorge, und Klarheit in der Situation ist erforderlich.» Er forderte «überprüfabre, direkte Kommunikation» mit der Spielerin.

Tennis-Welt bringt Bestürzung zum Ausdruck

Sollte die WTA sich aus China zurückziehen, sei das zu begrüßen, sagte die SPD-Politikerin Freitag: «Wenn es so kommen sollte, wäre das ein guter und richtiger Schritt, weil erstmals ein Verband aktiv Verantwortung übernehmen und für die Werte, die man propagiert, einstehen würde», sagte die scheidende Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag: «Der Fall ist von außen unglaublich schwierig zu beurteilen, aber alle, denen die Werte des Sports wichtig sind, müssen sich zweifellos große Sorgen um Peng Shuai machen. Und der Fall passt in das Bild dieses Landes, das Menschen kaserniert, interniert und im schlimmsten Fall eben auch umbringt.»

Eine ganze Reihe von aktuellen und früheren Topprofis, darunter Japans Naomi Osaka und die einstige Weltranglisten-Erste Chris Evert aus den USA, hatten in den vergangenen Tagen ihre Bestürzung zum Ausdruck gebracht. Auch die inzwischen zurückgetretene Julia Görges und Sportstar Serena Williams schlossen sich an und forderten Antworten. «Ich bin am Boden zerstört und schockiert, als ich von den Nachrichten über Peng Shuai gehört habe. Ich hoffe, sie ist sicher und wird so schnell wie möglich gefunden», twitterte die 23-fache Grand-Slam-Turniersiegerin Serena Williams: «Dies muss untersucht werden, und wir dürfen nicht schweigen. Ich sende ihr und ihrer Familie in dieser unglaublich schwierigen Zeit Liebe».