22. November 2024

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Erster Corona-Fall vor Paralympics im Athletendorf

In Japan steigen die Corona-Infektionen bedrohlich an, Krankenhäuser in Tokio sind überlastet. Doch an den Paralympics wird festgehalten. Die Entscheidung der Organisatoren und der Regierung, dennoch Schulkinder als Zuschauer zuzulassen, sorgt für Unmut.

Die alarmierende Corona-Lage in Japan überschattet die bevorstehenden Paralympics. Am Donnerstag meldete die Gastgeberstadt Tokio 5534 Neuinfektionen und damit den zweithöchsten Stand seit dem Ausbruch der Pandemie.

Zugleich gaben die Organisatoren den ersten Corona-Fall im Athletendorf bekannt. Bei der positiv auf das Virus getesteten Person handele es sich nicht um einen Athleten oder eine Athletin. Die Paralympics sollen am kommenden Dienstag in Anwesenheit von Kaiser Naruhito eröffnet werden, während sich Tokio weiter im Corona-Notstand befindet. Die Paralympics werden daher wie zuvor schon die Olympischen Spiele ohne Zuschauer ausgetragen – allerdings mit der Ausnahme von Schülerinnen und Schülern, was für Unmut sorgt.

Die Kinder dürfen sich im Rahmen eines Erziehungsprogramms der japanischen Regierung Wettkämpfe anschauen, wenn die lokalen Gemeinden dies in Absprache mit den Eltern wünschen. Mehrere Gemeinden und Schulen sollen bereits den Wunsch geäußert haben, rund 132.000 Kinder teilnehmen zu lassen. Dieses Ansinnen löste Unverständnis aus, im Kulturausschuss stimmten mehrere Mitglieder dagegen. Der Oppositionspolitiker Ichiro Ozawa empörte sich auf Twitter über die Haltung der Regierung und der Stadtverwaltung: «Sind die noch ganz bei Sinnen?». Die Kinder könnten schließlich das Virus in ihre Familien tragen, schrieb Ozawa und verwies auf Appelle des Staates ans Volk, während des Notstands möglichst zuhause zu bleiben.

Schwierige Infektionslage

Die Infektionslage sei inzwischen noch schlechter als während der Olympischen Spiele, sagte der oberste Corona-Berater der Regierung, der Mediziner Shigeru Omi. Auf die Frage aus dem Oppositionslager im Parlament, ob es angemessen sei, Schulkinder zu den Paralympic-Wettkämpfen zuzulassen, sagte Omi laut Medien: «Wenn Sie in einer solchen Situation darüber nachdenken, denke ich, dass es eine natürliche Schlussfolgerung geben wird.»

Die Zahl der Neuinfektionen in Tokio hat sich seit den Olympischen Spielen nahezu verdreifacht, wenngleich von der olympischen Blase keine Gefahr ausgegangen sein soll. Der wegen seiner Corona-Politik innenpolitisch unter Druck stehende Regierungschef Yoshihide Suga bat den Unternehmerverband Kaizai Doyukai am Donnerstag, Mitarbeitern Heimarbeit zu ermöglichen, um die Zahl der Berufspendler um 70 Prozent zu reduzieren. Experten vergleichen die Infektionslage in Tokio und anderen Regionen mit einer Katastrophe. Die lokalen Gesundheitsämter und Krankenhäuser seien am Anschlag.

Wie der japanische Fernsehsender TBS am Donnerstag meldete, konnten kürzlich innerhalb einer Woche 60 Prozent an Corona-Patienten, deren Zustand sich zu Hause verschlechtert hatte, nicht ins Krankenhaus gebracht werden, da sich keine Kliniken finden ließ. Eine hochschwangere Corona-Patientin musste ihr Kind verfrüht zu Hause zur Welt bringen, weil sich kein Krankenhaus finden ließ, berichtete der TV-Sender NHK. Ihr Baby wurde in eine Klinik gebracht, starb jedoch.

Kritik auch im Netz

Im Internet sorgte der Fall für Entsetzen und Empörung. «Sowas darf nicht passieren», schrieb jemand wütend auf Twitter. Wenn es Geld und Arbeitskraft gebe, die Olympischen Spiele und Paralympics abzuhalten, dann sollte gefälligst das Gesundheitssystem gestärkt werden, hieß es. Derweil bezeichnete der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), Andrew Parsons, die Paralympics in Tokio als «die wichtigsten» in der Geschichte.

Sie würden den Menschen mit Behinderungen inmitten der Pandemie eine Stimme geben. Parsons bekräftigte, dass die Paralympics mit rund 4400 Athletinnen und Athleten «sicher» über die Bühne gehen könnten. «Menschen mit Behinderungen sind weltweit überproportional von der Pandemie betroffen», sagte er. Gesellschaften auf der ganzen Welt hätten es versäumt, diese Menschen vor der Pandemie zu beschützen.

Von Lars Nicolaysen, dpa