Mit internationalen Meisterschaften im Tischtennis verhält es sich während der Coronavirus-Pandemie wie mit der berühmten Ketchup-Flasche, auf die man unentwegt draufklopft.
Erst passiert 15 Monate lang gar nichts – und jetzt geht es im Wortsinn Schlag auf Schlag. An diesem Dienstag beginnen in Warschau die Europameisterschaften im Einzel, bei denen der Rekord-Champion Timo Boll zum achten Mal den Titel gewinnen will. Danach folgen bis zum Ende dieses Jahres noch die Olympischen Spiele Ende Juli, eine Team-EM im September und die Einzel-WM im November.
«Hochkarätige Standortbestimmung»
Alles, was pandemie-bedingt seit März 2020 ausfiel, wird mit Ausnahme der Mannschafts-Weltmeisterschaften in Südkorea in nur wenigen Monaten nachgeholt. «Natürlich ist es bedauerlich, dass die EM und die Olympischen Spiele so nah aneinander liegen», sagte der deutsche Sportdirektor Richard Prause. «Aber der Wert eines Europameistertitels wird dadurch um keinen Deut gemindert. Wir nehmen die Situation, wie sie ist, und sind froh, einen Monat vor Tokio durch einen derart bedeutenden Vorwettkampf die Gelegenheit zu einer hochkarätigen Standortbestimmung zu bekommen.»
Da die Tischtennis-EM anders als die Fußball-EM nicht unter freiem Himmel stattfindet, sind die Corona-Maßnahmen bei diesem Turnier auch deutlich strenger. Zuschauer sind in der Torwar Arena nicht zugelassen. Die deutschen Spieler begaben sich bereits drei Tage vor Beginn der Qualifikationsrunden am Dienstag in eine sogenannte Turnier-Blase, was bedeutet: Sie dürfen sich in Warschau nur in ihrem Hotel, in der Trainings- und der Wettkampfhalle bewegen. Wer diese Blase unerlaubt verlässt, wird sofort disqualifiziert.
Immerhin, so Prause, wurde wenigstens der Parkplatz des Hotels ein wenig umfunktioniert: «Einige haben auf dem 120-Meter-Rundkurs eine kleine Jogging-Einheit eingelegt und 45 Runden gedreht.»
Fehlende Matchpraxis
Die deutschen Stars haben in den vergangenen Monaten nicht viel Matchpraxis bekommen, aber mit diesen Auflagen sind sie längst vertraut. Der frühere Weltranglisten-Erste Dimitrij Ovtcharov gewann im März den ersten Wettbewerb der neuen Turnierserie «World Table Tennis» (WTT) – und reist nun entsprechend selbstbewusst nach Warschau. «Die Europameisterschaften sind das wichtigste Turnier auf dem Kontinent und es war immer ein Kindheitstraum von mir, den Einzeltitel zu gewinnen», sagte der 32-Jährige. «Das habe ich schon zweimal geschafft. Um den Titel kämpfen aber auch diesmal wieder vor allem die üblichen Verdächtigen – allen voran Timo.»
Sein Freund und Nationalmannschafts-Kollege Boll bringt es inklusive Doppel- und Mannschafts-Erfolgen bereits auf 19 EM-Titel in seiner Karriere. Zudem räumte er mit seinem Verein Borussia Düsseldorf gerade die deutsche Meisterschaft, den Pokal und die Champions League ab. Nach einigen Problemen im vergangenen Jahr ist der 40-Jährige mittlerweile auch wieder verletzungsfrei und sagt: «Ich konzentriere mich erst einmal auf die Europameisterschaften. Aber so ein hochkarätiger Wettkampf recht kurz vor Olympia ist für mich bestimmt nicht schlecht als Vorbereitung für Tokio.»
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