Entnervt und entzaubert schlichen die verschwitzten Spanier vom Platz, die coolen Schweden ließen sich von ihren Fans feiern und beklatschten sich selbst.
Mit einem höchst disziplinierten, aber genauso unansehnlichen Catenaccio trotzten die Skandinavier zum EM-Auftakt dem Titel-Mitfavoriten in Sevilla ein 0:0 ab und sorgten für lange Gesichter beim dreimaligen Fußball-Europameister und WM-Champion von 2010. «Wir sind natürlich sauer, weil wir das Tor nicht gemacht haben», sagte Spaniens Mittelfeldspieler Koke. «Wir haben wirklich gekämpft, hatten aber leider nicht das nötige Glück.»
Auch 75 Prozent Ballbesitz und eine rekordverdächtige Passbilanz von 847:107 reichten den Spaniern nicht zum Sieg. Das Team von Trainer Luis Enrique verzweifelte immer wieder am Abwehrbollwerk der Skandinavier, die sich den Punkt mit viel Herz und Leidenschaft verdienten. «Wir haben 110 Prozent gegeben», sagte Abwehrspieler Victor Lindelöf. «Die Spanier haben den Ball sehr gut laufen lassen, es war schwer, sich ihrem Druck zu stellen. Aber wir haben ein wirklich gutes Ergebnis erzielt.»
Chancenwucher der Spanier
Allerdings hatte das Drei-Kronen-Team um RB Leipzigs Emil Forsberg und Werder Bremens Ludwig Augustinsson vor 10.559 Fans im Estadio La Cartuja auch Glück ob des Chancenwuchers der klar überlegenen Spanier. Noch in der Nachspielzeit vergaben die eingewechselten Gerard Moreno und Pablo Sarabia zwei hochkarätige Möglichkeiten zum Sieg. «Das einzige, was gefehlt hat, war das Tor», haderte Koke mit dem Ergebnis. Die Iberer treffen im nächsten Vorrundenspiel in der Gruppe E auf Polen. Die Schweden, die bei einer EM erst einmal die Gruppenphase überstanden haben (2004), bekommen es mit der Slowakei zu tun.
Den Gastgebern war von der Corona-Aufregung in den vergangenen Tagen nichts anzumerken. Nach einem positiven Test bei Kapitän Sergio Busquets, der deswegen wie auch die Schweden Dejan Kulusevski und Mattias Svanberg fehlte, war ein Teil der Mannschaft kurz vor dem Turnierstart noch geimpft worden – offenbar ohne Nebenwirkungen.
Dominanz der Hausherren
Die Hausherren beherrschten die Partie von Beginn an und drängten die passiven Nordeuropäer, die in der Anfangsphase kaum einmal über die Mittellinie kamen, tief in deren Hälfte. Die spanische Dominanz erinnerte ein wenig an das 6:0 gegen Deutschland im November 2020 in der Nations League.
Nur die Tore fehlten. Die erste Chance zur Führung bot sich Dani Olmo vom deutschen Vizemeister RB Leipzig nach einer guten Viertelstunde. Der 23-Jährige, der in der ersten Halbzeit der auffälligste Offensivakteur seiner Mannschaft war, scheiterte mit seinem Kopfball am stark reagierenden Schweden-Keeper Robin Olsen.
Danach vergab Koke zweimal aus verheißungsvoller Position. Die beste Möglichkeit hatte aber Alvaro Morata: Der insgesamt glücklos agierende Stürmer stand nach einem Stellungsfehler der Schweden plötzlich völlig frei vor Olsen, schlenzte den Ball aber knapp am Tor vorbei.
Schwedisches Bollwerk hält
Die Nachlässigkeiten beim Abschluss hätten sich kurz vor der Pause beinahe gerächt, als der Ex-Dortmunder Alexander Isak für einen Schreckmoment sorgte. Der Schuss des schwedischen Angreifers prallte Spaniens Verteidiger Marcos Llorente ans Schienbein, von dort an den Pfosten und dann in die Arme von Torwart Unai Simón, der den Vorzug vor dem routinierten David de Gea erhalten hatte. Auf der Gegenseite scheiterte Olmo erneut an Olsen. So ging es torlos in die Kabinen.
Nach dem Wechsel erlahmte der Schwung der Gastgeber bei schwül-warmem Wetter zunehmend. Der Ball wurde nun mehr in die Breite als in die Tiefe gespielt, was der schwedischen Abwehr die Arbeit erleichterte. Spanische Chancen blieben nun rar.
Vielmehr war der Außenseiter nach gut einer Stunde der Führung ganz nah. Isak tänzelte im Strafraum drei Gegenspieler aus und bediente seinen Sturmpartner Marcus Berg, doch der frühere HSV-Profi vergab aus Nahdistanz kläglich. Kurz darauf musste er seinen Platz dem Mainzer Robin Quaison überlassen. Für Offensivakzente sorgten die Schweden in der Schlussphase aber nicht mehr. Dafür legten die Spanier noch einmal zu, konnten sich aber nicht belohnen.
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