23. November 2024

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Ein «letzter Tanz»: Petkovic beendet Tenniskarriere

Angelique Kerber geht in Babypause, und nun kündigt auch noch Andrea Petkovic ihr Karriereende an. Bei den US Open hat die vielseitige Athletin ihren letzten großen Auftritt auf der Tennis-Bühne.

New York (dpa) Die Fans von Andrea Petkovic ahnten es schon seit einer Woche. Die Tennisspielerin hatte ein unspektakuläres Trainingsvideo auf Instagram mit dem Hashtag «#thelastdance» versehen – eine klare Anspielung auf den legendären «Petko-Dance», mit dem sie oft ihre Erfolge gefeiert hat. Und seit Sonntag weiß die ganze Tennis-Welt: Petkovics letzter Tanz steht unmittelbar bevor.

Die US Open seien generell «mein letztes Turnier», sagte die 34-Jährige in einem Gespräch mit der ARD-«Sportschau» unmittelbar vor ihrem Auftaktspiel am Dienstag. Dann wird Petkovic nach 16 ereignisreichen Jahren auf der Tour wohl von der großen Tennis-Bühne abtreten, denn alles andere als eine Niederlage gegen die Schweizer Olympiasiegerin Belinda Bencic wäre eine große Überraschung.

«Es ist emotional eine Herausforderung», sagte Petkovic am Montag: «Jedes Training hier war sehr emotional für mich, aber es ist die richtige Entscheidung. Ich hoffe, dass ich nochmal einen raushauen kann.» Sie sei in diesem Jahr aufgrund von Verletzungen nicht mehr in den Rhythmus gekommen, deswegen sei der Rücktritt «eine Notwendigkeit». Aber: «Es fällt mir sehr schwer, loszulassen.»

Letzter Auftritt auf der Tennis-Bühne

Ein Hintertürchen lässt sich die Darmstädterin aber offen: Womöglich hänge sie nach den US Open noch «ein Turnier in Europa» dran, «das ein bisschen näher zu meiner Familie und Freunden ist». Vielleicht sei aber auch «schon in New York Schluss». Wirklich überraschend kommt die Ankündigung ihres Rücktritts nicht, Petkovic wollte eigentlich schon 2020 den Schläger in die Ecke stellen. Danach dachte sie nur noch von Jahr zu Jahr. «Mal gucken, wie lange der alte Gaul noch durchhält», hatte die frühere Weltranglisten-Neunte selbstironisch gesagt.

Bundestrainerin Barbara Rittner reagierte mit großem Bedauern. Sie sprach von einem «großen Verlust für das deutsche Tennis». Petkovic sei mit ihrem «besonderen Charakter» und dem «unbändigen Willen» ein «Vorbild für die jüngere Generation».

Es ist nicht zu befürchten, dass die siebenmalige WTA-Turniersiegerin nach dem Ende ihrer aktiven Karriere in das vielzitierte Loch fällt. Petkovic, die als weltoffen, gebildet und ehrgeizig gilt, hat sich in den vergangenen Jahren auf vielen Berufsfeldern mit Erfolg ausprobiert. Seit Dezember 2019 gehört die French-Open-Halbfinalistin von 2014 zum Sportmoderatoren-Team des ZDF. Sie hat Kolumnen für das Magazin der «Süddeutschen Zeitung» verfasst und für die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» geschrieben.

Die Hessin mit der Abitur-Abschlussnote 1,2 schaute schon immer über den Tellerrand hinaus. Ihr Interesse an Literatur, Musik, Kunst, Politik und gesellschaftlichen Themen ist allseits bekannt, es brachte ihr auch eine Einladung zum «Literarischen Quartett» ein. Ihr Erstlingswerk als Autorin «Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht», in dem Petkovic Geschichten rund um ihr Leben als Profisportlerin erzählt, wurde vom Feuilleton der «Süddeutschen Zeitung» als «reflektierendes, oft witziges, noch öfter nachdenkliches, weises Buch» gelobt.

Umbruch im deutschen Damentennis

Doch kurioserweise brachten die vielen Nebenjobs ihr die Freude am Leistungssport zurück. «Durch meine vielen Ausflüge wurde mir noch deutlicher, dass meine größte Leidenschaft Tennis ist», sagte sie einmal. Mit dieser gestiegenen Motivation triumphierte Petkovic im August 2021 noch einmal im rumänischen Cluj-Napoca – es war ihr erster Turniersieg nach sechseinhalb Jahren. Und es wird sehr wahrscheinlich ihr letzter gewesen sein.

Petkovic verkündete ihren Rücktritt, Julia Görges verabschiedete sich bereits vor zwei Jahren, die Rückkehr von Angelique Kerber nach ihrer Baby-Pause ist ungewiss: Im deutschen Damentennis vollzieht sich ein Umbruch. Die Nachfolge-Generation von Steffi Graf tritt ab, neue Talente wie Wimbledon-Viertelfinalistin Jule Niemeier (23) oder Nastasja Schunk (19) müssen diese Lücke nun füllen.

Für Niemeier agiert Petkovic als eine Art Mentorin, beide spielten auch schon Doppel zusammen. Wegen ihrer offenen und hilfsbereiten Art wird Petkovic auch der deutschen Fed-Cup-Mannschaft, mit der sie 2014 im Finale stand, fehlen. Doch Petkovic spürt, dass die Zeit des Abschieds gekommen ist. «Ich vertraue da voll auf mein Herz und mein Gefühl», hatte sie einmal über den Zeitpunkt ihres Rücktritt gesagt.

Von Jörg Soldwisch, dpa